Test - Terrascape : Test: Das HandOfBlood-Spiel ist wie Anno mit Karten
- PC
Was genau fasziniert uns an Aufbau-Spielen? Die tatsächliche Metapher, ein eigenes Dorf und langfristig ein Imperium zu kreieren? Unsere Bevölkerung zu erleben? Oder das endlose Optimieren von Logistik, Produktionskreisläufen und Warenwirtschaft? Terrascape reduziert den Aufbau mit einer ebenso simplen wie effektiven Mechanik auf ein Punktesammel-Puzzle, sieht dabei aber toll aus und hat einige kluge Ideen im Angebot.
Eine schwebende Spielwelt lädt uns ein: Flüsse, Seen, Strände, Wälder und Steine, zudem viele verschiedene Rohstoffe. Das können wir doch nicht einfach so ungenutzt vor sich hin schweben lassen! Also rasch einen Burgfried platziert, ein paar Hütten gezimmert, Beerenpflücker engagiert und so weiter.
Falls ihr meint, dass euch diese Zeilen an so ziemlich jeden Titel aus dem Genre der Aufbau-Strategie erinnern, habt ihr natürlich recht. Auch in Terrascape bauen wir nach und nach eine florierende Siedlung auf – mit allen Landschafts- und Zivilisationselementen, die dazugehören. Der große Unterschied zur Konkurrenz: Wir schlagen uns dabei nicht durch ein Bau-Menü und handhaben eine mit jeder Bevölkerungsstufe wachsende Rohstoffleiste, sondern spielen Karten aus.
In diesen sechs Ecken soll Freude stecken
Terrascape versteht sich als “Aufbau-Puzzle-Mischung“; die beschauliche, farbenfrohe Spielwelt vor euch ist in Hexfelder aufgeteilt wie im Überraschungshit Dorfromantik. “Eurogame” werden in der Brettspiel-Community jene Titel mit Catan-artigem Plättchen-System genannt – ein sympathischer Kontrast zum “Euro-Jank” für die nie ganz flüssigen Kampfanimationen vieler hiesiger Actiontitel. Dorfromantik zeigte 2022, dass das Prinzip auch direkt am Rechner gut funktionieren kann, wenn Spielmechanik und Metapher richtig ineinandergreifen. Unterstützt und herausgebracht wurde es im Übrigen von Instinct3, der Firma von Youtube-Star HandOfBlood.
In Terrascape kann es beim Platzieren von Gebäuden Punkte geben. Diese hängen zum einen von der bestehenden Landschaft ab: Landwirtschaft ergibt auf Wald und Wiese mehr Sinn und Ertrag als auf trockenem Sand, während Jagdhütten verständlicherweise von umliegenden Wildtierpopulationen profitieren. Zum anderen spielen bestehende Gebäude eine Rolle. Das kann positiv sein, beispielsweise wenn Wohngebäude in der Nähe anderer Wohngebäude stehen, oder negativ, wenn sich etwa mehrere Holzfäller die knappen Waldvorräte streitig machen. Beim Platzieren zeigt uns eine Vorschau, wie viele Punkte die aktuelle Auswahl einbringt. Klick, das Gebäude ist errichtet, die gespielte Karte verschwindet, die Punkte fließen, fertig.
Besagte Pünktchen haben einen weiteren Zweck: Sie lassen uns neue Karten ziehen, wobei hier eine ordentliche Portion Zufall am Werk ist. Die Karten sind in thematischen Decks angeordnet wie Siedlung, Gemeinschaft oder Lebensmittel. Zwar verrät uns ein Tipp, welche Karten grundsätzlich im Deck zur Verfügung stehen, aber Würfelpech kann eben auch dazu führen, dass das so dringend benötigte Jagdhüttchen eine Weile auf sich warten lässt.
Die Reihenfolge unserer Aktionen kann dabei ordentlich Punkte geben oder kosten. Einfaches Beispiel: Wenn wir vor der Platzierung eines Beerenpflückers zusätzliche Büsche in sein Einflussgebiet setzen, freut das den Kontostand deutlich mehr. Einmal vergebene Punkte werden auch nicht wieder abgezogen, selbst wenn wir später ein Gebäude wieder abreißen. Letzteres ist übrigens keine grundlegende Funktion im Spiel, sondern eine Sonderaktion als Belohnung für das Erschaffen von Gebäudekomplexen. Im einfachsten Fall sind dies zusammenhängende Felder von etwa Weizen oder Hütten in einer bestimmten Form, im späteren Spielverlauf fusionieren auch verschiedene Bauten zu mächtigen Ergebnissen wie der Kathedrale.
Das motiviert und verleiht dem Aufbau zusätzliche Tiefe – wohl auch deswegen kamen in der Early-Access-Phase stetig neue Komplexe hinzu. Der später nötige Abriss von Gebäuden oder auch das Absenken sowie Erhöhen einzelner Hexfelder werden ebenfalls als Karten gespielt, wir können also nicht beliebig oft die Gegend umpflügen. Schließlich schalten unsere clever platzierten Gebäude auch neue Karten und Karten-Decks frei, so dass wir die typische Heldenreise der Aufbau-Strategie erleben können. Und im Gegensatz zum kürzlich getesteten, in eigenen Aspekten artverwandten Reus 2 (zum Test) wirkt die entstehende Siedlung wesentlich glaubwürdiger, weil die Mechanik etwa das weitläufige Ignorieren bestimmter Wirtschaftszweige in einzelnen Gebieten nicht erfordert.
Grafisch überzeugt Terrascape dabei insbesondere zu Beginn. Wenn die Landschaft das erste Mal über den Bildschirm schwebt, erfolgt beinahe instinktiv der Druck auf die Screenshot-Taste. Auch der Soundtrack des Titels drängt sich weder zu stark oder „episch“ nach vorne, noch nervt er mit ödem Gedudel. Lediglich in Sachen Animationen kann Terrascape nicht ganz zur Oberklasse aufschließen, weil Bewegungen in der Landschaft und an Gebäuden sehr spärlich eingesetzt werden.
Sammeln sie die Punkte?
Neben dem gänzlich freien Besiedeln lädt uns Terrascape auch ein, verschiedene Szenarien anzugehen und mit einer geschickten Platzierung unserer Landschaftselemente zu lösen. Mitunter kann der Zufallsfaktor bei Zwischenaufgaben jedoch ordentlich stören, etwa weil das Spiel verlangt, dass wir Häuser platzieren, aber aus dem entsprechenden Deck nur Hütten purzeln. Aufbau-Puristen mögen hier die Nase rümpfen, die Gegenseite dürfte hingegen “Dreimal Glück ist Können” frotzeln. Ein Spiel endet, wenn wir keine Karten mehr spielen können – bis dahin haben wir, ihr ahnt es, Punkte gesammelt und können unseren Highscore entsprechend für künftige Prahlereien speichern.
Allerdings hat sich Terrascape damit spielerisch erschöpft. Ordentliche 40 Gebäude und 15 Gebäudekomplexe brauchen zwar einige Stunden, um entdeckt zu werden, aber weitergehende Mechaniken gibt es derzeit nicht. Steuern, Arbeitskräfte, Militär, Bedürfnisse? Nicht vorhanden. Somit bleibt der Umfang des Spiels ein sehr reduzierter, auch wenn alles sehr gut umgesetzt ist.
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