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Test - Sunless Sea : Die See kennt keine Gnade

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Gerade im Indie-Bereich sind Survival-Titel unterschiedlicher Art sehr angesagt. Sunless Sea fügt sich ebenfalls in dieses Genre ein, überrascht aber mit vielen Rollenspielelementen, einem ungewöhnlichen Art-Design und düsterer Atmosphäre. Als Crowdfunding-Projekt gestartet, ist der Titel nun seit einigen Tagen via Steam für kleines Geld (knapp 20 Euro) erhältlich und bietet eine Menge Abenteuer für die etwas Ruhigeren und Geduldigen unter den Spielern.

Wir schreiben das Jahr 1888 in einem Paralleluniversum, das an die Viktorianische Zeit erinnert, erweitert um einige Steampunk-Elemente. London ist in einer Art riesiger Höhle versunken, ein Meer namens Underzee bedeckt weite Flächen der Region. Kaum ein Lichtschimmer erhellt den Ozean, bis auf wenige Leuchtbojen, die den Seeleuten ein Quäntchen Hoffnung in der Düsternis geben. Piraten und Meeresungeheuer durchkreuzen die See, Nebelbänke lassen den Seemann erschauern aus Angst vor dem, was sich darin verbergen könnte. Kein gutes Umfeld für einen angehenden Kapitän eines kleinen Dampfschiffs, aber was soll man tun?

Schicksalsschmiede

Der Einstieg in dieses düstere Abenteuer geht schnell, hat aber Tiefe. Ihr wählt die Herkunft eures Kapitäns, die euch verschiedene Boni für die Spielsitzung gewährt. Es macht einen Unterschied, ob ihr Veteran des 65er-Kriegs seid oder nur ein Straßenkind, das sein Glück auf hoher See sucht. Und ihr wählt ein Ziel, dem ihr nachgehen wollt. Sollen es Ruhm und Reichtum sein? Ein Buch über die Underzee? Oder wollt ihr euren lang verschollenen Vater suchen? Was auch immer ihr wählt, hieraus ergibt sich die eigentliche Story eures Spiels, nach deren Ende ihr euch zur Ruhe setzen könnt. Solltet ihr dieses Ende denn jemals lebend erreichen.

Story ist allerdings relativ, denn im Prinzip gestaltet ihr selbst euer Schicksal. In den Häfen lernt ihr NPCs kennen und erhaltet natürlich auch einige Aufgaben und Quests. Manchmal geht es um Lieferungen oder Entdeckungen, manchmal sind es reine Textquests, in denen ihr Entscheidungen treffen sollt, die zuweilen schmerzhafte, dann wieder positive Auswirkungen haben und mit Belohnungen aufwarten. Universität und Admiralität versorgen euch immer wieder mit Aufgaben, bieten aber auch Ressourcen oder ihre Dienste an, beispielsweise um euer Schiff kostengünstig zu reparieren. Mitunter trefft ihr auf zwielichtige Gestalten, für die ihr arbeiten könnt, was euch aber eventuell Sympathien bei anderen kostet.

Das Spiel ist sehr textlastig und ihr solltet auf jeden Fall über gute Englischkenntnisse verfügen, zumal es keine Questmarkierungen oder Ähnliches gibt. Die Texte sind aber äußerst lesenswert, nicht selten fühlt man sich wie in einem spielbaren Roman. Sunless Sea ist sicherlich kein Grafikkracher, sondern eher schlicht und stilvoll gehalten mit düsteren Grüntönen, stimmungsvoller Geräuschkulisse und toller Musik. Charaktere werden im Karikaturenstil als Portrait dargestellt, ohne jegliche Animation. Sprachausgabe sucht ihr vergebens, hier steht klar der Inhalt im Vordergrund, und der ist überraschend tief und vielfältig. Gerade diese Schlichtheit weiß aber zu gefallen, was einmal mehr zeigt, dass Spiele nicht immer mit optischer Pracht glänzen müssen.

Auf ins Ungewisse

In den Häfen, allen voran London, kümmert ihr euch um Proviant sowie Treibstoff und stattet euer Schiff mit Ausbauten wie Motoren, Geschützen oder anderen praktischen Teilen aus. Habt ihr genug Geld gesammelt, könnt ihr größere Schiffe kaufen. Zudem heuert ihr eine Crew oder Offiziere an. Letztere geben euch Boni auf verschiedene Eigenschaften – so wird beispielsweise Treibstoff effektiver genutzt oder das Bordgeschütz verursacht mehr Schaden. Wer möchte, kann auch Waren transportieren und in anderen Häfen teuer verkaufen, wobei euer Frachtraum natürlich begrenzt ist und ihr immer etwas Platz für Entdeckungen auf hoher See oder in anderen Häfen lassen solltet.

Sunless Sea - Launch Trailer
Anlässlich der Veröffentlichung von Sunless Sea gibt es hier den Launch-Trailer für euch.

Der wichtige Teil des Spiels ist natürlich das Meer. Ihr steuert euer Schiff mit der Tastatur aus der Top-down-Perspektive über den Ozean. Die Erkundung steht dabei deutlich im Vordergrund. Die Karte der umfangreichen Spielwelt will nach und nach aufgedeckt werden und es gibt viel zu entdecken, wozu ihr unter anderem eine Zee-Bat losschicken könnt, die euch auf Inseln oder Häfen in der Nähe hinweist. Aber es lauern auch viele Gefahren. Piraten und allerlei Seeungeheuer tummeln sich im Wasser. Denen könnt ihr euch mittels eines simplen, aber effektiven Echtzeit-Kampfsystems stellen, das ein wenig an Pirates erinnert. Oftmals ist es aber sinnvoller, alle Lichter zu dimmen, die Motoren voll aufzudrehen und Feinden aus dem Weg zu gehen. Ist euer Schiff nämlich zerstört, war es das. Permadeath lässt grüßen. Außer ihr schaltet in den Merciful-Modus, in dem ihr manuell speichern könnt. Aber das ist nur etwas für Weicheier und raubt dem Spiel die Spannung.

Gratwanderung

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die feine Balance zwischen Treibstoff, Proviant (für die Ernährung der Crew und eventuell Reparaturen) und der schieren Angst. Der begrenzte Stauraum des Schiffes verlangt Planung, speziell für größere Touren in entfernte Bereiche, und die Mannschaft sollte nicht in Panik geraten. Das ist nicht einfach zu bewerkstelligen dank der Finsternis, der Ungeheuer und einiger Zufallsereignisse auf See. Zu viel Panik und es kommt zur Meuterei. Zu wenig Proviant und die Mannschaft hungert, muss gar einen Kameraden als Notration auswählen. Zu wenig Sprit und ihr hängt mitten auf dem Ozean fest und werdet Opfer der Piraten oder Ungeheuer. Dazu noch die nicht kartografierten Gewässer und das stetige Gefühl der Bedrohung mitten in der Einsamkeit. Mit diesen simplen Elementen erzeugt das kleine Spiel (nicht einmal 700 MB) eine Menge Spannung und Atmosphäre.

Dabei bleibt Sunless Sea immer fair. Scheitert ihr, ist zumeist nicht ein Spielereignis schuld, sondern eure eigene Fehlplanung oder eine fatale Entscheidung. Gerade das macht das Spiel nochmals um einiges interessanter. Erwischt es euch trotz guter Planung dennoch, so hilft nur ein Neubeginn, wobei ihr eurem Nachfolger zumindest etwas vererben könnt, um ihm den Einstieg etwas zu vereinfachen. Die Motivation ist hoch, schließlich wird man von Mal zu Mal etwas besser (hoffentlich) und es gibt immer wieder Neues zu entdecken.

Fazit

Andreas Philipp - Portraitvon Andreas Philipp
Stilvolles und ungewöhnliches Abenteuer

Sunless Sea ist sicherlich nicht für jeden. Es braucht Zeit und Geduld, Lust zu lesen, gute Englischkenntnisse und ist weit entfernt von jedweder Action. Doch wer sich darauf einlässt, bekommt ein atmosphärisches, stilistisch interessantes und sprachlich tolles Spiel, das trotz einfacher Mittel mit einer überraschenden Spieltiefe aufwartet. Ganz ohne euch dabei in ein Korsett zu zwängen. Sicherlich, es gibt Quests und Aufgaben mit vielen Entscheidungen, jedoch bleibt es weitgehend euch selbst überlassen, das Schicksal eures Kapitäns zu gestalten. Vor allem, weil jedes Scheitern und jeder Erfolg dem Spieler selbst zuzuschreiben ist. Habe ich meine Ressourcen gut genug eingeteilt? Ist diese Reise vielleicht doch zu weit und zu gefährlich? Sind mein Schiff und meine Crew den Gefahren gewachsen? Welches Risiko bin ich bereit einzugehen? Der Titel zieht viel Spannung aus der Ungewissheit dessen, was euch bevorsteht, auf der einen Seite und der Balance eurer Mittel und eurer eigenen (Fehl-)Entscheidungen auf der anderen. Wer schon an Titeln wie Don't Starve oder FTL seine Freude hatte, sollte Sunless Sea auf jeden Fall eine Chance geben. Es lohnt sich.

Überblick

Pro

  • ungewöhnliches Spielkonzept
  • gediegene Atmosphäre
  • schlichtes, aber gelungenes Art-Design
  • Aktionen und Entscheidungen mit harten Konsequenzen
  • stimmungsvolle Erzählung
  • schöne Klangkulisse und Musik
  • enorm viele, gut geschriebene Texte
  • erstaunlich viel Spieltiefe

Contra

  • streckenweise langatmig
  • nicht auf Deutsch verfügbar
  • recht klickintensiv

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