Test - Star Wars: Outlaws : Test: Tolle Star-Wars-Atmosphäre. Aber ...
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Es ist ein Ubisoft-Open-World-Adventure. Vielleicht keins, das hundertprozentig von Assassin’s Creed und Far Cry abkupfert, aber das Schema ist trotzdem genauso altbekannt wie das Klischee des Schurken mit dem Herz aus Gold, dem auch Star Wars: Outlaws anheimfällt. Eines muss man den Entwicklern bei Massive Entertainment trotzdem zugutehalten: Sie fangen die Star-Wars-Stimmung erheblich authentischer ein, als EAs Studios das bisher taten. Und besser als Disney. Chapeau!
Wenn Star Wars: Outlaws nämlich eines ausgezeichnet schafft, dann ist es das Einfangen der Vibes, die das Lucas‘sche Universum in der Zeit zwischen Das Imperium schlägt zurück und Die Rückkehr der Jedi-Ritter definieren.
Eine reife Leistung für ein Action-Adventure, das euch in vielerlei Hinsicht freie Hand beim Erkunden lässt. Ihr schlüpft in die Rolle der vogelfeien Kay Vess, die sich nichts sehnlicher wünscht, als das Outer Rim zu verlassen und zu den Kern-Planetensystemen des Imperiums zu gelangen, weil sie sich dort ein friedliches Leben ausmalt.
Kein leichtes Vorhaben in einer Gesellschaft, in der das Recht des Stärkeren gilt. Wilder Westen mit Laserkanonen, Überlichtgeschwindigkeit mit Dampfkessel-Ästhetik. Selten gelang es einem Spiel so sehr, den Kontrast der aufeinander knallenden Erzählelemente des Krieg der Sterne greifbar zu machen. Der Rost, der Schmutz, die gebrauchten und abgenutzten High-Tech-Maschinen, die scheinbar nur durch Maschinenöl, alte Drähte und Sekundenkleber zusammengehalten werden. Selbst das Anlehnen an einen Türrahmen schreit nach einer Tetanus-Impfung.
Aus diesem Grund ist es beinahe egal, dass die Hauptdarstellerin nur eine Second-Hand-Version von Han Solo darstellt und abseits ihres kleinen Merqaal-Haustiers Nix kein einziges Charaktermerkmal besitzt, das sie heraushebt. Sie ist ein Abziehbild einer Schurkin mit einem Herz aus Gold und so austauschbar, dass die Entwickler ihr sogar Han-Solo- und Lando-Calrissian-Kleidungstücke zur Verfügung stellen. Und ihr Begleiter? Nun, der Droide ND-5 geht mit Ach und Krach als Gesprächspartner durch, der mal stockernst daherkommt und mal für einen Lacher sorgt, aber genauso gut durch einen brabbelnden Ewok ersetzt werden könnte.
Macht nichts, dafür bietet Kay euch als Spieler genügend Projektionsfläche, damit ihr euch auf ihrer Suche nach Freiheit selbst wiederfindet. Alle fünf Welten, die ihr in Outlaws besucht, mitsamt ihren frei begehbaren Arealen und den kleinen Raumschlachten in ihrem Orbit stellen maßgebliche Hauptmerkmale des Spiels dar, weil sie euch so sehr in das politische Gefüge von fünf Parteien verstricken, dass euch das mangelnde Charakterprofil von Kay Vess links und rechts am Allerwertesten vorbeigeht.
Kartell-Politik
In Star Wars: Outlaws ist viel zu viel los, um sich über den eher schwach gezeichneten roten Faden zu ärgern. An jeder Ecke tuscheln NPCs und lassen sich kleine Quests entlocken, die Geld und guten Ruf einbringen. Zumindest, sofern man mit der politischen Lage klarkommt, denn das Imperium sowie vier Verbrechersyndikate (Hutten, Pyke, Crimson Dawn und Ashiga) kontrollieren unterschiedliche Anteile der Planeten, und ihr könnt euch nie mit allen gleich gut stellen.
Jedes Mal, wenn ihr in der Open-World-Struktur dieses Action-Adventures einen Auftrag für ein Kartell erledigt, bringt ihr ein anderes auf die Palme. Um so wichtiger ist es, die richtigen Fäden zu ziehen, bevor ihr euch zu weit vorwagt. Wollt ihr auf Tatooine Geschäften nachgehen, dann ist es ratsam, einen guten Draht mit den Hutten zu pflegen, sonst jagen sie euch kreuz und quer durch die Jundlandwüste. Auf eine Audienz bei Jabba the Hutt braucht ihr in dem Fall gar nicht erst hoffen.
Andererseits bleibt es euch überlassen, ob ihr abseits der verpflichtenden Hauptquests überhaupt mit ihnen zu tun haben wollt. Spielt ihr Kartelle gerne gegeneinander aus oder seid ihr geradlinige Schmuggler? Wurstelt ihr euch bei jedem Syndikat so gut es geht durch oder mögt ihr klare Verhältnisse mit knallharten Feindschaften? Was ihr auch immer bevorzugt, die Hauptdarstellerin lässt euch genug Platz auf ihrer Charakter-Leinwand, als dass ihr nach Belieben pinseln dürft.
Rund zwei Stunden dauert die Einführung, dann habt ihr schon ein Raumschiff gestohlen, wurdet von eurem Mechaniker hintergangen, seid der Rebellion begegnet und habt euch Hals über Kopf Schwierigkeiten mit drei der vier Kartelle eingebrockt. Alles weitere obliegt eurer Entscheidungsgewalt, und obwohl in den wenigen Multiple-Choice-Gesprächen selten echte Konsequenzen zu erwarten sind, macht es Spaß zuzusehen, wie sich Kay Vess dem Baron Münchhausen gleich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zieht.
Schleichen, Ballern, Erkunden
Ihr liebstes Werkzeug dafür? Natürlich ihr Blaster, der im Laufe des Spiels dank Upgrades sogar drei unterschiedliche Basis-Strahlen mit eigenem Nutzen erhält. Rapid-Laser und Sprengstrahl helfen euch gegen Feinde und widerspenstige Türen. Mithilfe der Ionen-Kanone setzt ihr dagegen Spulen unter Strom, um Gerätschaften kurzzeitig in Gang zu bekommen. Die meisten der recht einfach gehaltenen Puzzles basieren darauf.
Für ein Sci-Fi-Wildwest-Setting vertraut Star Wars: Outlaws allerdings erstaunlich oft auf Kays Heimlichkeit. Liegt ein Ziel in einem Gebiet, das von einem Kartell regiert wird, mit dem ihr es euch gerade verscherzt habt? Tja, da hilft nur schleichen und meucheln, was beinahe unmöglich wäre, wenn das kleine Haustier Nix ihr nicht zur Seite stünde.
Kay schickt den kleinen Wonneproppen per Kommando aus, um Gegenstände in der Ferne zu snaggen, Sprengladungen auszulösen oder schlicht, um Gegnern auf den Kopf zu springen, was Frauchen genügend Zeit für einen herzhaften Fausthieb verschafft. Nur so gelingt euch ein Durchstreifen bewachter Gebiete, ohne Alarm auszulösen, beziehungsweise ohne durch lautes Geballer sämtliche Aufmerksamkeit auf euch zu ziehen.
Schon ganz nett und streckenweise unterhaltsam, nur ähnelt der ganze Ablauf leider viel zu sehr den Spielmechaniken vom letztjährigen Avatar-Spiel und wurde obendrein nicht gut genug ausbalanciert. Wenn mehrere Schleichpfade zu einem Ziel offenstehen, ist meist nur einer lösbar, während die anderen Selbstmordkommandos gleichen. Wachen haben auf manchen Pfaden übermenschliche Fähigkeiten, entdecken Kay hinter Wänden, hören sie quasi atmen. Was welche Wache sieht, erkennt man im laufenden Spiel nie, was etliche Male zu kaum nachvollziehbarem Scheitern und einen Neustart am letzten automatischen Checkpoint führt. Nur Überwachungskameras zeigen durch Indikatoren am Boden, welchen Bereich man unbedingt meiden muss, um einen Alarm zu verhindern.
Es ist jedenfalls bemerkenswert, dass das rhythmisch orientierte Knacken von Türen per Datenstift und das Hacken von Computern durch das Sortieren von Symbolen im Stil der Mastermind-Brettspiele in solchen Schleichpassagen als spaßigste Komponenten im Gedächtnis bleiben. Somit stellt das Schleichen das schwächste Glied in einer Gameplay-Kette dar, die in keinem Segment mit Perfektion glänzen kann.
Schusswechsel? Gehören zu Star Wars wie blaue Milch auf den Frühstückstisch und mögen grundsätzlich hitzig und spaßig sein, laufen aber über das ganze Spiel hinweg gesehen zu gleichförmig ab. Einfältige KI und rote Sprengkanister, die buchstäblich überall herumstehen, lassen euch gar keine andere Wahl, als irgendwo einen sicheren Stand zu suchen und auf alles zu schießen, was große Explosionen erzeugt.
Von Gegnern hinterlassene Waffen, die dem ganzen etwas Abwechslung verpassen könnten, helfen nur in der Theorie, weil Kay sie bei jeder x-beliebigen Handlung wieder verliert. Ihr könnt nicht einmal eine Wand hinaufklettern oder einen Gegner von hinten ausknocken, ohne dass Kay eine aufgesammelte Waffe wie eine heiße Kartoffel fallenlässt - und sie dann nicht mehr aufheben darf. Was zur Hölle? Was nutzen einem denn stärkere Blaster oder gar Scharfschützengewehre, wenn man sie nur genau an dem Ort einsetzen darf, an dem man sie gefunden hat?
Mit der Spieltiefe eines Bacta-Tanks
Leider zieht sich diese Kritik, die am ehesten als mangelnde Spieltiefe zu betiteln ist, durch das ganze Konzept. Offene Spielwelt? Ja, es ist ganz nett, per Gleiter frei erkundbare Gebiete bereisen zu dürfen. Rein gestalterisch sehen Orte wie die Wüste von Tatooine oder die Savanne von Toshara interessant aus. Felskluften und mystische Täler laden geradezu ein, erforscht zu werden. Aber was nützt das, wenn man doch nur belanglose Schätze zum Verkaufen findet?
Nicht ein einziger Ort, den ihr auf eigene Faust entdeckt, bietet etwas Bemerkenswertes, ein witziges Geheimnis oder sei es auch nur ein unerwarteter Cameo. Upgrade-Gegenstände sind derweil so selten und unauffällig platziert, dass man sie kaum bemerkte, wenn einen das Spiel nicht ständig über wichtige Funde unterrichten würde.
Weltraumschlachten im Orbit der vier Planeten? Sehen schön aus und verschaffen Abwechslung, halten aber kaum länger als zwei Minuten am Stück an und haben null taktische Komponente. Sobald ihr den L2-Knopf gedrückt haltet, folgt euer Zielsystem automatisch gegnerischen Schiffen und feuert sogar selbsttätig in deren Flugbahn. Anstelle der vielen mäßig unterhaltsamen Minispiele (Sabacc, Videospielautomaten, Wetten) hätte eine Vertiefung solcher Spielelemente viel mehr für den Gesamteindruck getan.
Ja, selbst das Kartell-System hätte viel mehr Konsequenzen und Verstrickungen vertragen können. Sackgassen in der Gunst, langfristige Kartell-Kriege, ausbleibende Quests? Nichts davon gibt es, damit man auch ja nicht Gefahr läuft, einen kleinen Anteil des Gameplay-Konstrukts verpassen zu können.
Grafik: zu viel für die aktuellen Konsolen
Und die Grafik? Die macht auf den ersten Blick leicht ratlos: Alles grob, niedrig aufgelöst und aufgeschwemmt, als hätte jemand ein Glas Wasser über eine Kreidezeichnung gekippt. Vom grafischen Standpunkt her macht es Star Wars: Outlaws einem in der ersten Stunde nicht leicht, Sympathien aufzubauen. Überall, wo viele Gebäude stehen und NPCs umherwuseln, setzt die dynamische Skalierung die grobe Zange an.
Tja, selbst dran schuld, wenn man 60 fps bevorzugt. Vorbei sind die Zeiten der superflüssigen Bildraten, wenn man von der Grafikqualität von Outlaws ausgeht. Matschige Raytracing-Reflexionen, flimmernde Ränder, allzu offensichtliche temporale Rekonstruktion an Haaren und anderen feingliedrigen Gegenständen vermitteln den Eindruck, das Spiel sei eher für die lang erwartete, aber noch immer nicht bestätigte Playstation 5 Pro entworfen worden.
Ändert sich das, wenn man auf 30 fps schaltet? Ja, teils sogar gehörig, vor allem wenn es um die allgemeine Auflösung geht. Aber so richtig schick und vorzeigbar sieht das Spiel trotzdem selten aus. Die Wüste von Tatooine, die staubigen Straßen von Mos Eisley, Wasserfälle in den dschungelartigen Wäldern des Planeten Akiva – löbliche Ausnahmen, bei denen man gerne kurz innehält, um mal richtig Stimmung aufzusaugen und sich vorzustellen, man würde die exotische Luft fremder Planeten atmen.
Ausnahmen, die gekonnt davon ablenken, dass die Grafiker sich bei Outlaws viel zu oft auf kaschierende Nebel- und Dunstwände verlassen oder es hin und wieder mit der Farbintensität von Lichtquellen übertreiben (und trotzdem nicht schaffen, einen ordentlichen HDR-Effekt auf die Beine zu stellen). Wenn man dann noch die vielen Grafik- und Kollisionsfehler dazurechnet, die alle erdenklichen Duftnoten tragen, wird einem schnell klar, dass Outlaws vor Release noch viel mehr Feinschliff benötigt hätte.
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