Länderauswahl:
Du wurdest von unserer Mobile-Seite hierher weitergeleitet.

Special - Wenn Frauen zocken : Sind Männer Schweine?

  • Multi
Von  |  | Kommentieren

Frauen, die Videospiele spielen, sind schon lange keine Seltenheit mehr. Dennoch wird immer wieder berichtet, dass männliche Spieler mit Zockerinnen häufig ganz anders umgehen als mit ihresgleichen – und das oft im negativen Sinn. Wir haben uns mit dem Thema auseinandergesetzt und auch eigene Erfahrungen dazu gesammelt.

Worin genau besteht denn eigentlich der unterschiedliche Umgang? Hier gibt es verschiedenen Aspekte: Manche Frauen berichten darüber, dass sie in Videospielen von männlichen Mitspielern beleidigt werden – insbesondere wenn sie auffällig besser sind als ihr Gegenüber. Wieder andere sprechen davon, dass sie nicht ernst genommen oder ständig angebaggert werden. Auf jeden Fall machen sie eher unangenehme Erfahrungen. Wir haben zu dieser Problematik ein paar Nachforschungen angestellt und es letztlich einfach selbst ausprobiert: Werden Frauen in Videospielen anders behandelt als Männer?

Gekünstelte Dummheit?

Heutzutage ist es nicht unüblich, einen Charakter zu steuern, der nicht dem eigenen Geschlecht entspricht. Daher muss hinter einer weiblichen Figur nicht zwangsläufig eine Frau stecken. Trotzdem gehen einige Frauen auf Nummer sicher und wählen, wenn denn eine Auswahl gegeben ist, einen männlichen Charakter, um sich vor eventuellen Angriffen zu schützen oder um ernst genommen zu werden. Denn angeblich wird man wie ein Dummchen behandelt und bekommt permanent übertrieben ausführliche Ratschläge, da Frauen in den Augen mancher Männer ja nicht zocken können.

Interessanterweise scheint es aber auch Spielerinnen zu geben, die genau diesen Umstand ausnutzen. Gerade bei Hack-'n'-Slay-Titeln, in denen Looten ganz großgeschrieben wird, berichten einige Spieler – sowohl männliche als auch weibliche – darüber, dass viele Frauen eine „Ich-bin-ein-Mädchen-und-kann-das-nicht-so-gut“-Haltung inszenieren, um besonders viele Schätze abzugreifen. Diese Erfahrungen haben beispielsweise viele World-of-WarCraft-Spieler im offiziellen battle.net-Forum veröffentlicht.

Anonyme Flirts

Das Internet bietet in Online-Spielen die einzigartige Möglichkeit, komplett anonym zu agieren. Das versieht den einen oder anderen mit einer ordentlichen Portion Selbstvertrauen und führt zu offensiverem Handeln, als man im Alltag von ihm gewohnt ist. Wer sich also in der Regel vielleicht nicht traut, einem Mädchen zu zeigen, dass es einem gefällt, hat im Internet unter dem Deckmantel der Anonymität womöglich keine Bedenken mehr. Dies führt leider auch dazu, dass mal eine Linie überschritten wird und der Flirt einer sexuellen Belästigung gleichkommt.

Wenn man sich diverse Forenkommentare durchliest, scheint es aber noch mehr Gründe für das häufige Anbaggern von Spielerinnen zu geben. Einige Männer finden „Zockerfrauen“ einfach anziehend und bekunden ihr Interesse ganz offen. Wieder andere freuen sich einfach über jede Frau, speziell in von Männern dominierten Spielen des Shooter- und E-Sport-Bereichs.

Männlicher Stolz

Gerade diese Männerdomäne in der Videospielwelt bringt aber auch die extrem gegensätzliche Erfahrung hervor, nämlich die auffallend häufigen Beleidigungen weiblichen Spielern gegenüber. Dieses Problem wurde schon auf wissenschaftlicher Ebene behandelt. So wurde von den Autoren Jeff Kuznekoff und Lindsey M. Rose von der Ohio Universität eine Studie veröffentlicht, die zeigt, dass spielende Frauen oft Ziel sexistischer Beleidigungen werden. In einem Experiment spielten die Autoren über 200 Online-Matches in Halo 3, in denen sowohl mit einer männlichen als auch mit einer weiblichen Stimme Kontakt zu Mitspielern hergestellt wurde – nicht provokant, sondern durch neutrale Kommentare, wie ein einfaches „Hallo“.


Halo 3

Das Ergebnis war eindeutig: Der Account, der eine weibliche Stimme hatte, erhielt dreimal so viele negative Nachrichten und Voicemails wie die Accounts mit einer männlichen oder gar keiner Stimme. Auch im Privaten berichten Frauen immer wieder in Foren, dass sie häufig extreme, auch sexistische, Beleidigungen ertragen müssen, wenn sie zum Controller greifen. Auffallend ist hier, dass der Großteil der Betroffenen diese schlechten Erfahrungen ausschließlich in Shootern und Sportspielen gemacht hat.

Eine Psychologin, die sich ebenfalls mit diesem Problem beschäftigt hat, bietet dafür eine recht simple Erklärung: So sollen die „harten Kerle“ im Internet nicht damit umgehen können, wenn sie gegen ein Frau verlieren, weshalb sie durch Beleidigungen versuchen, dies zu kompensieren (vgl. web.de). Auch bei dpa ist man der Meinung, dass gezielte Beleidigungen gegen weibliche Spieler stark vom Spiel-Genre abhängen. So hätten gerade junge Männer mit ihrer eigenen Identitätsfindung zu kämpfen und auch im realen Leben häufig Probleme im Umgang mit dem anderen Geschlecht.

Eigene Versuche

Auch wenn viele Frauen die eben angesprochenen Umgangsweisen selbst beim Zocken schon erlebt haben, darf dieses Thema nicht ausschließlich in den düstersten Farben geschildert werden. Die Videospielszene ist so breit gefächert, dass schwarze Schafe nun mal vorkommen – ebenso geben sich genügend Spieler Frauen gegenüber nicht anders als gegenüber männlichen Mitstreitern. Wir haben stichprobenartig in mehrere Genres geblickt und sind online mehrmals gegen männliche Battlefield-, Call-of-Duty, League-of-Legends-, Final-Fantasy-XIV- und FIFA-Spieler angetreten. Dabei wurde kein Unterschied gemacht, ob auf unserer Seite ein weiblicher oder männlicher Redakteur am Controller saß.

Aggressive Spieler ließen ihre Wut jeden Mitspieler spüren, ungeachtet des Geschlechts. Ob nun als Mann oder Frau etwas verbockt wurde, hat keinen Unterschied gemacht. Auch extreme Anmachen oder übertriebene Hilfeleistung haben wir nicht erlebt. Auch wenn unser kleines Experiment natürlich nicht den Anspruch einer Studie stellt, bleibt zumindest festzuhalten: Nicht alle Spieler wollen Frauen nur hinter einem Herd sehen. Die Zahl an Spielerinnen wächst immer mehr (s. ESA-Studie) und mit ihr auch der „normale“ Umgang mit ihnen.

Könnte dichinteressieren

Kommentarezum Artikel