Test - Shadow Hearts : Shadow Hearts
- PS2
Rollenspielfans können sich zurzeit nicht beklagen: Nach 'Grandia 2' und 'Final Fantasy X' versucht nun auch Midway mit 'Shadow Hearts' in diesem Genre auf PlayStation 2 die Spielergunst für sich zu gewinnen. Als wortkarger Held durchstreift ihr China zu Beginn des 20. Jahrhunderts und erlebt zahlreiche düstere Abenteuer.
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Es fährt ein Zug
Nach dem Start des Spiels erwartet euch bereits eine spannende Anfangssequenz in Form eines Renderfilmchens: Im Jahre 1913 wird ein englischer Geistlicher in Paris ermordet - seine Leiche wird von seinem unbekannten Mörder regelrecht zerstückelt. Zu allem Unglück ist auch seine Tochter verschwunden. Tatsächlich befindet sie sich in einem Zug, der durch das nächtliche China braust. Die japanische Armee bewacht das junge Mädchen namens Alice, als ob sie von höchster Wichtigkeit für die Regierung ist. Doch da taucht plötzlich ein nobler Mann mit Zylinder auf, der aber schon bald sein wahres Gesicht zeigt. Es handelt sich um den fiesen Magier Roger Bacon - er gibt sich zumindest als dieser aus - der Alice entführen will. Schließlich scheint sie der Schlüssel zu sein, den ein mächtiger Obermagier braucht, um die Welt zu beherrschen und in Verderbnis zu stoßen. Doch dies wird erst später erklärt, erstmal tötet Bacon praktisch mit einem Wimpernschlag die hilflosen Wachen.
Doch als er Alice verschleppen will, taucht ein seltsamer Typ auf, der sich Bacon in den Weg stellt. Tatsächlich scheinen ihm die Angriffe des Gegners wenig anzuhaben und so verlegt sich der Kampf auf das Dach des Zugs, wo Bacon schließlich verschwindet und Alice und der ziemlich wortkarge Held mitten in der chinesischen Wildnis zurückbleiben. Der düstere Held heißt Yuri und ist ein Harmonixer - dies ist ein Kämpfer gegen Monster, der sich selbst während der Konfrontation in ein Monster verwandeln kann, um so spezielle Kräfte und Magieattacken einzusetzen. Allerdings leidet er an seinem Job und seiner Vergangenheit. So hört er eine geheimnisvolle Stimme, duelliert sich im Traum mit einer maskierten Gestalt, die sich als sein toter Vater ausgibt, und er kann sogar einen spirituellen Ort besuchen. Auf diesem mystischen Friedhof trifft er auf die Geister seiner getöteten Feinde. Stellt er sich ihnen nicht erneut in einem Kampf, öffnen sich endgültig die Tore zu Yuris persönlicher Hölle.
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Rollenspiel mit frischen Ideen
Klingt alles seltsam? Ist es auch, allerdings ist dies erst der Anfang einer Story, die so richtig packend und abwechslungsreich ist. Zwar dreht sich auch hier wie in diversen anderen Japano-Rollenspielen alles um Helden, Bösewichter, Liebe, Verrat und natürlich Magie, aber das Ganze wurde gut durchmixt mit vielen gelungenen Ideen. So sind das Szenario und die Charaktere erfrischend erwachsen gehalten, was sich insbesondere in den Dialogen widerspiegelt: Da wird geflucht, teilweise in Gossensprache gesprochen, ein schwuler Akupunkturexperte will euch an die Wäsche und es werden anzügliche Bemerkungen gemacht - in was für einem anderen Spiel wird der Bösewicht schon als alter Lüstling mit Lolita-Komplex beschimpft? Gefallen kann außerdem, dass die Handlung ziemlich unheimlich gehalten wurde. So trefft ihr auf ein Dorf, dass sich als Kannibalenhort erweist, müsst ein Gespenst mit einer traurigen Vorgeschichte erledigen, trefft auf einen Knabe, dessen Mutter als Hexe verbrannt wurde und sogar ein russischer Vampir schließt sich euch an. Diese mystischen Elemente werden gekonnt mit Erfindungen, historischen Ereignissen und Metropolen des am Beginn stehenden 20. Jahrhunderts verbunden - eine erfrischende Abwechslung zum sonstigen RPG-Fantasy-Einheitsbrei. Für Abwechslung sorgen außerdem die verschiedensten Schauplätze wie China, Japan, Frankreich, England und Russland.
Spielerisch orientiert sich der Titel aber mehr an klassischen Rollenspielen: Trefft ihr auf einen Boss oder einen der unsichtbaren Zufallsgegner, schaltet das Spiel in eine 3D-Arena, in der sich auf der einen Seite die Party rund um Yuri und Alice, auf der anderen Seite ein oder mehr Feinde wieder finden. Nun wird rundenbasiert gekämpft, wobei ihr die Wahl zwischen 'Angriff', 'Item benutzen', 'Verteidigen' oder 'Magieattacke' habt. Außerdem kann sich Yuri in ein Monster verwandeln, wenn er genügend spezielle Energie dafür hat. In einer solchen ziemlich abscheulichen Gestalt ist er nicht nur stärker in punkto normalen Angriffen, sondern kann auch mächtige Zauber einsetzen und von Elementen-Attributen des jeweiligen Biests profitieren. Damit die Kämpfe nicht zu langweilig ausfallen, haben sich die Entwickler etwas Originelles einfallen lassen: Nach der Wahl eines Befehls wird eine Uhr mit verschiedenen farbigen Feldern und einem schnell laufenden Zeiger angezeigt. Befindet sich dieser Zeiger in einem farbigen Feld, müsst ihr drücken. So lassen sich mit Geschick mächtige Combos einsetzen oder sonstige Attacken, Magieangriffe und Items werden noch wirkungsvoller. Allerdings müsst ihr hierfür schon ein gutes Reaktionsvermögen haben, sonst verpufft der Befehl wirkungslos und der Feind ist erstmal dran mit Angreifen.
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Ansonsten finden Rollenspielfans so ziemlich alles, was ihr Herz begehrt: viele unterschiedliche Feinde, zahlreiche Attacken, hunderte Items und Ausrüstungsgegenstände und natürlich Charaktere, die sich eurer Gruppe anschließen. Allerdings sind immer nur drei Figuren in die Fights involviert. Zwar ist die Story ziemlich komplex und spannend, allerdings sind die Zwischensequenzen wenig spektakulär, da in diesen meistens nur Dialoge geführt werden. Allgemein muss man sagen, dass der Schwierigkeitsgrad ziemlich hoch und viele Gameplay-Kleinigkeiten das Spiel ziemlich schwierig machen - Genre-Neulinge lassen also besser die Finger davon oder stellen sich auf viel Frust ein. Löblicherweise findet ihr dafür im Spiel umfangreiche Anleitungen und sogar Hintergrundinfos zu allen Hauptcharakteren und Gegnern. Außerdem wurde recht großzügig mit Save-Points und Items umgegangen.
Grafik: Stimmungsvoll aber technisch mäßig
Während sich das Gameplay und vor allem die Story ziemlich modern gibt, hat man sich bei der Grafik weniger Mühe gegeben und wird der Power der PlayStation 2 leider nicht gerecht. Die meiste Zeit lauft ihr nämlich durch nicht gerade beeindruckende vorgerenderte Hintergründe mit wenig Scrolling. Immerhin sorgen die gewählten düsteren Orte und einige Animationen wie flackerndes Licht oder Nebel für stimmungsvolle Gruselatmosphäre. Die Animationen der mäßig gestalteten Figuren sind dagegen ziemlich lieblos ausgefallen, so dass sie nicht richtig mit dem starren Hintergrund verschmelzen können. Schaltet das Spiel in einen Kampf, erstrahlt zwar die Optik in Polygongrafik, aber auch die kann nicht begeistern. Die schwammigen und farbarmen Texturen, die wenigen Hintergrundobjekte, die unspektakuläre Inszenierung der Angriffe und die visuell durchschnittlich bis langweilig gestalteten Feinde erinnern technisch mehr an frühere PSone-Rollenspiele. Schade ist außerdem, dass man viel zu selten gerenderte Zwischensequenzen zu sehen bekommt, zumal das Intro wirklich zu gefallen weiß.
Etwas besser sieht es mit dem Sound aus: Zwar reißen einem die wenigen Soundeffekte nicht vom Hocker, dafür kann die Hintergrundmusik für Stimmung sorgen, auch wenn sie ab und zu etwas zu monoton ausgefallen ist.
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