Special - Resident Evil 8 und Gran Turismo 7 - VR-Test : Das sind die Killer-Apps für PSVR 2
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Neue Videospielhardware braucht gute Software, sonst ist sie wertlos. Ein echter Systemseller für PSVR 2 lässt allerdings noch auf sich warten – trotz Horizon: Call of the Mountain (Test). In der Zwischenzeit solltet ihr euch Resident Evil: Village und Gran Turismo 7 vornehmen, die zwar nicht explizit für PSVR 2 entworfen wurden, aber kostenlose VR-Updates erhalten haben und bisher den meisten Spaß aus der Hardware herausholen.
Horizon: Call of the Mountain mag grafisch beeindruckend und inhaltlich recht ansehnlich ausfallen, aber eine Pflichtanschaffung ist dieser Bergsteiger-Simulator unserer Ansicht nach nicht. Was also tun, wenn man als geneigter VR-Enthusiast kein Geld in Mini-Games und Casual-Titel stecken will, die man womöglich schon von anderen VR-Headsets kennt? Ganz klar: Zu waschechten Konsolen-Hits greifen, die voll ausgefleischtes Gameplay und grafische AAA-Opulenz anbieten. Gleich zwei solcher Titel haben uns beim Testen der Hardware mächtig beeindruckt, und wir wollen euch verraten, warum.
Gran Turismo 7 definiert Konsolen-VR-Racing neu
Polyphonys Verkaufsschlager markiert eine Premiere im Konsolensektor, denn es ist das erste vollumfängliche Simcade-Rennspiel für Konsolen mit VR-Unterstützung. Entgegen der Regelung von Gran Turismo Sport, das mangels Hardwarepower nur ein abgespecktes Rennen gegen einen einzelnen Kontrahenten zuließ, stehen sämtliche Spielmodi offen, sodass ihr zukünftig komplett auf eine TV-Darstellung verzichten könnt, wenn ihr wollt. Lediglich der VS-Splitscreen-Modus bildet verständlicherweise eine Ausnahme.
Der ein oder andere PC-Spieler winkt an dieser Stelle womöglich gelangweilt ab, denn bei Steam ist das nichts außergewöhnliches mehr. Dirt 2.0, Formel 1 2022 und Assetto Corsa, beziehungsweise sein GT-Profisport-Gegenstück Assetto Corsa Competizione verfügen ebenfalls über hervorragend implementiere VR-Modi, die ohne inhaltliche Abstriche mit jedem PC-kompatiblen Headset funktionieren.
Allerdings besteht ein gehöriges Handicap: Ihr benötigt dafür einen verdammt starken PC, wenn ihr die Grafikqualität nicht auf Playstation-3-Niveau senken wollt. Selbst mit einer Geforce RTX 4090 entfalten sie nicht ihre volle Pracht, denn VR-Optimierung scheint auf dem PC wenig Priorität zu erfahren. Vielleicht fehlt es dafür an Ressourcen, vielleicht sehen die zuständigen Entwickler keinen Gegenwert angesichts einer überschaubaren Zielgruppe.
Egal aus welchem Grund, es tut einem als Rennspiel- und VR-Enthusiast in der Seele weh, wenn die Darstellung eines Rückspiegels wirkt, als hätten Mechaniker eine schlechte Rückfahrkamera installiert. Oder wenn weit entfernte 3D-Modelle aufgrund konservativer LOD-Einstellungen an das gute alte N64 erinnern.
Bevor einer fragt: Nein, diese Faktoren lassen sich nicht in den Grafikeinstellungen aushebeln. Jedenfalls nicht in solchem Umfang, dass man das Niveau einer normalen TV-Darstellung erreicht, denn selbst bei Zuschaltung von rechenzeitschonenden Grafikhelfern wie DLSS setzen Entwickler der VR-Grafikqualität Grenzen, um die Bildrate zwingend über 90 FPS zu halten. Wenn sich dann noch Programmfehler einschleichen – siehe das unerklärliche Stottern der Hintergrundgrafiken in ACC – wünscht man sich eine Hingabe, wie sie die Entwickler von Gran Turismo 7 an den Tag legen.
Besser als auf dem PC?
Zugegeben, auch GT7 fährt bei PSVR2-Einsatz auf Sparflamme. Einige Randdetails wirken etwas kantiger, Grashalme findet man nur noch vereinzelt, Schattenkaskaden wirken sichtbar grober und die etwas weniger genaue Echtzeitbeleuchtung gewisser Streckenteile gibt Preis, wo die Grafiker von Polyphony von Anfang an mogelten. Nur juckt das kein Stück, weil all jene Elemente, die euch vordergründig beschäftigen, in 3D irre gut aussehen. Liebe PC-Besitzer, jetzt müsst ihr stark sein: Gran Turismo 7 sieht schöner aus als alle PCVR-Racing-Titel zusammen.
Blasphemie! Ketzerei! Welch Werk der Hexenkunst lieget dem zugrunde, o Meister des Pixelmosaiks? Nun, genaugenommen sind es zwei Faktoren. Das erste nennt sich Foveated Rendering. Es ermittelt mithilfe des Augentrackings von PSVR2, wo man gerade hinschaut und veranlasst die PS5, nur diesen Bereich scharf zu rendern. Alles drumherum schaltet in mehreren Schritten auf niedrigere Auflösungsstufen zurück, sodass der äußerste Rand der Darstellung sogar auf rund 250 Pixelreihen fällt. Die dadurch eingesparte Rechenzeit gibt so viele Ressourcen frei, dass beide Bildschirme des Headsets ein stereoskopisches Bild berechnen können, das die allermeisten Grafikeffekte auf hohem Niveau hält.
Es bleibt zwar bei 60 FPS (und nicht native 120, die das Headset hergeben könnte, oder 90 als Mittelwert), aber dank der hardwareseitigen Bildinterpolation hat das keine merklichen Folgen. Motion-Sickness oder Ähnliches droht keineswegs.
Faktor Numero zwo ist die gute alte frickelige Handarbeit, die jedes Gran Turismo bislang ausmachte. Es zeugt von Liebe zum Detail, wenn sämtliche Rückspiegel real wirken, weil sie ihren Reflexionswinkel parallax zum Blickwinkel des Spielers verändern. Für Raytracing dieses Kalibers fehlt es der Konsole unter der VR-Last an Pferdestärken, darum muss es um eine flexible Texturprojektion gehen, deren virtuelle Kamera sich anhand der Spielerbewegung verschiebt.
Eine Vermutung, die von dem Fakt unterstützt wird, dass die Spiegelansicht horizontale und vertikale Anpassungen vollzieht, aber gleich bleibt, wenn man den Tiefenabstand zu den Spiegeln verändert. Juckt aber niemanden, denn eure Augen bleiben ideal dort, wo sie sein sollen: auf der Strecke vor euch. Während jener kurzen Schwenks zum Rückspiegel, die man während eines hitzigen Rennens vollzieht, bleibt gar keine Zeit, perspektivische Ungenauigkeiten in der Tiefe zu bemerken. Es sieht jedenfalls um Welten besser aus als alles, was man bisher am PC geboten bekam.
Und das ist nur eines von vielen kleinen grafischen Schmankerln, die zeigen, dass die Grafiker bei Polyphony den VR-Modus nicht einfach lieblos antackerten, sondern ihn als gleichberechtigte Darstellungsmethode betrachten. So wurden auch sämtliche Materialien des Interieurs für VR optimiert, damit sie griffig und lebensecht wirken. Klingt trivial, ist aber kein leichtes Unterfangen, denn die Inspektion von Objekten in VR lässt sich nicht durch Post-Processing oder perspektivische Tricks aushebeln. Schaut euch mal Assetto Corsa Competizione in VR an. So genial das Spiel auch sein mag, im VR-Modus verkommt das Interieur des Wagens, das eigentlich viel blankes Metall darstellen soll, zur Plastik-Parade.
In allen spielerischen Aspekten genießt GT7 selbstverständlich sämtliche Vorteile, die auch auf dem PC bestehen. In Kurven kann man beispielsweise vorausschauend den Kopf Richtung Scheitelpunkt drehen. So sieht man nicht nur Kontrahenten, die womöglich die Ideallinie blockieren, sondern kann angesichts der dreidimensionalen Darstellung auch Geschwindigkeit und Anfahrt feinfühliger anpassen.
Und da reden wir noch nicht einmal vom beabsichtigten Driften … Oh mein Gott, es lässt sich gar nicht in Worte fassen, was für ein Gamechanger eine flexible Sicht auf die Strecke darstellt, wenn man den Wagen absichtlich quer stellen will. Dieser und weitere perspektivische Vorteile sind die Hauptgründe, warum viele PC-Rennspieler nicht mehr auf VR verzichten wollen, selbst wenn sie dafür viel Grafikqualität opfern müssen. Ganz zu schweigen vom verbesserten Fahrgefühl. Berg- und Talfahrten sehen dynamischer aus, beim Heransaugen an Gegner lässt sich der Abstand besser einschätzen und vieles mehr.
VR ist in jedem Rennspiel ein Zugewinn, aber Gran Turismo 7 streut der Erfahrung noch grafische Zucker obendrauf. Sogar so sehr, dass die Konkurrenz große Augen bekommt. Bislang galt nämlich der Forza-Vista-Modus aus Forza Motorsport und Forza Horizon als ultimativer Auto-Porno. Klar, er wird auch weiterhin fantastisch aussehen, aber so lange Forza Motorsport (zumindest am PC) keinen VR-Modus spendiert bekommt, wird die Auto-Ansicht in Gran Turismos Garage diesen Titel einheimsen. Man hat zeitweise das Gefühl wirklich vor einem lebensechten Mercedes oder Bentley zu stehen.
Nun ja, vielleicht nicht hundertprozentig. Die Darstellung wirkt auf manche Menschen einen Tick zu klein. Nicht viel, vielleicht 10, 15 Prozent. Das ist aber keine Auslegungssache der Grafikdesigner, sondern eine körperliche Angelegenheit, die mit der Form der Augen zu tun hat. Daher wäre es schön, wenn Polyphony sowohl für die Garage als auch für die Ansicht beim Fahren eine Brennweitenoption anbieten könnte, wie man sie aus Assetto Corsa Competizione kennt. Ach ja, und vielleicht die Möglichkeit, in andere Kamerapositionen zu wechseln. Es mag realistisch sein, im Cockpit zu fahren, aber gerade in VR macht es tierisch Spaß, auch mal an der Motorhaube zu kleben.
Resident Evil 8: Village
Genug des Rennfahrens - ihr habt den Kern unserer Aussage sicher längst verstanden. Bliebe noch zu klären, warum wir Resident Evil: Village zur Pflichtanschaffung für PVSR2-Besitzer deklarieren. Klar, ähnlich wie bei GT 7 besteht ein schlagendes Argument im vollen Umfang des Spiels ohne Abstriche. Ihr genießt Resi 8 von vorne bis hinten aus der Ego-Perspektive, als ob ihr euch selbst auf das Schloss Dimitrescu begeben würdet. Von einem kurzen Casual Game kann somit kaum die Rede sein.
Das war es allerdings schon mit den Gemeinsamkeiten. Kurioserweise können wir grafische Finesse keineswegs als Grund anführen. Liebe zum Detail beim Implementieren der VR-Funktion schon gar nicht. Im Gegenteil: Capcom tackerte den neuen Spielmodus nicht einmal fest, sondern klebte wenn‘s hoch kommt kreuz und quer ein wenig Klebeband dran und hoffte auf das Beste.
Das wird allzu sichtbar, wenn Hauptfigur Ethan Winters sich in Zwischensequenzen bewegt, obwohl man selbst stillsteht, was zu einigen unangenehmen Orientierungs- und Gleichgewichts-Aussetzern führt. Wird er zu Boden geworfen, liegt die Kameraansicht viel zu tief oder schaut in ursprünglicher Lage in eine völlig falsche Richtung. Noch dazu bestehen sichtbare Lücken bei Basisanimationen. Etwa beim Drehen von Schlüsseln oder beim Öffnen von Fächern. Nein, auf VR optimiert ist was anderes.
Verzeiht mein Latein, aber das ist einem alles sowas von scheißegal, wenn man erstmal drin ist und sich bei einem hinterhältigen Überfall eines Lycan-Monsters fast in die Hose gemacht hat. Beinahe jede Kampfhandlung geht euch direkt durch Mark und Bein.
Und das trotz offensichtlicher grafischer Einsparungen und mäßiger Adaption grafischer Filter. Sichtbare 2D-Sträucher und Stacheldrähte, die an die PS2-Ära erinnern? Stellenweise zu dunkle Umgebungsbeleuchtung, obwohl es taghell ist? Abgeschnittene Arme, die in Zwischensequenzen in der Luft hängen oder beim Öffnen einer Schublade so tief liegen, dass ihr meint, einer lebendigen Schaufensterpuppe beim Fummeln zuzuschauen?
All das und mehr kann euch aus der Immersion reißen. Doch nichts davon wird euch im Geringsten jucken, sobald ihr mitten im Horror steckt, zitternd mit Pistole oder Schrotgewehr im Anschlag durch klaustrophobische Kellergewölbe schleicht oder vor Panik schwitzend Deckung vor einer Todesfalle sucht.
Ja, Resident Evil: Village packt euch. Zwar nur aufgrund seiner Mischung aus Schreckeffekten und flinkem Gunplay, aber das genügt allemal. Eigenhändig Waffen nachladen, zielen und Monster wegballern ist unglaublich befriedigend. Sollte euch dieser (manchmal etwas umständliche) Prozess zu lange dauern, könnt ihr euch Waffenhilfen dazuschalten, die der Panik bei der Monsterbekämpfung entgegenwirken.
>> Alle PSVR2-Spiele, die wir gespielt haben: 19 Launch-Titel im Kurz-Test <<
Ob mit oder ohne Waffenunterstützung, der Horror saß uns derart tief im Nacken, dass wir das Spiel viel schneller spielten als in der normalen TV-Ansicht (oder wie Angsthase Felix abbrechen mussten). Wir suchten instinktiv Sicherheit und mieden Stresssituationen, wenn es uns möglich war. Unglaublich, wie immersiv dieses Spiel trotz seiner VR-Macken sein kann. Vor allem, wenn man im Stehen spielt und sich dabei selbst um die eigene Achse dreht, statt die Analogsticks zum Drehen zu verwenden.
Es ist zwar schade, dass sich Capcom in einigen Aspekten – etwa dem Einsammeln von Gegenständen oder der Handhabung des Inventars – mit der plumpesten denkbaren Lösung zufrieden gab, während andere ohne ersichtlichen Grund die volle „das musst du jetzt mit den Händen erledigen“-Überarbeitung bekamen, aber was soll’s. Für den Übergang bis zum Resident Evil 4 Remake, dessen VR-Modus von Anfang an bedacht wurde, reicht es locker.
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