Special - Kolumne PEGI : Alles besser dank PEGI?
Das Hickhack um die Veröffentlichung von Dead Space 2 hat eine neue Debatte um den Jugendschutz in Deutschland entfacht. Besonders im Fokus: Die USK und - so sehen es Zocker und der gebeutelte Publisher Electronic Arts - ihre bessere Hälfte PEGI. Immer mehr fordern, das im Rest Europas weit verbreitete Pan European Game Information auch im Land der Dichter und Denker einzusetzen. Warum das aber am falschen Punkt ansetzt, wollen wir in der Kolumne erklären.
Zuerst: Im speziellen Fall von Dead Space 2 geht es weder um USK noch PEGI. Ja, Electronic Arts hat mehrere Anläufe gebraucht, um die USK-18-Freigabe durchgesetzt zu bekommen. Ja, die Prüfung ist für den Publisher mit Aufwand und Kosten verbunden. Nichtsdestotrotz wurde dem Spiel - übrigens genauso wie dem Vorgänger - am Ende eine Kennzeichnung erteilt, einer Veröffentlichung in Deutschland stand somit nichts mehr im Wege. Aber: Erstmals in der Geschichte hat das Land Bayern der USK-Einstufung per Appellationsverfahren widersprochen.
Die staatliche Notbremse
Dass Electronic Arts diese Posse nutzt, um für die Einführung von PEGI in Deutschland zu werben, ist keine Überraschung. Der Publisher macht keinen Hehl daraus, dass man PEGI der USK vorzieht. Mit dem aktuellen Fall Dead Space 2 hat diese Diskussion aber nur am Rande etwas zu tun. Vielmehr ist es die "Hintertür" bei diesem Verfahren, die die Frage zulässt: Braucht der Staat tatsächlich die Möglichkeit, trotz abgeschlossener Prüfung nochmal die Notbremse ziehen zu können? Denn: Die Alterseinstufungen der USK erfolgen in Gremien mit von den Ländern benannten Sachverständigen und in Zusammenarbeit mit Vertretern der Obersten Landesjugendbehörden. Der Einfluss des Staates auf die Kennzeichnung ist demzufolge schon ausreichend gegeben.
Wenn der Jugendschutz in Deutschland in dieser Hinsicht nicht überarbeitet wird, sind Electronic Arts und andere Publisher auch nach der Einführung von PEGI nicht vor solchen Rechtsunsicherheiten gefeit. Profitieren würden sie aber trotzdem. Schließlich ist es bis zu einer USK-Einstufung ein weiter Weg. Der Publisher schickt einen ausgefüllten Fragebogen sowie eine aktuelle Vorschauversion samt Verkaufsverpackung an die USK, die das Spiel anschließend einmal durchspielt. Denn auch am Ende eines Spiels kann genau die Szene lauern, die den Unterschied zwischen einer Freigabe „ab 16" und „ab 18" ausmacht. In einer anschließenden Sitzung spielt und erklärt der Tester das Spiel vor einem Gremium, das über die Alterskennzeichnung entscheidet.
Kontrolle ist gut, Vertrauen besser?
Bei PEGI muss der Publisher zwar ebenfalls einen umfangreichen Fragebogen ausfüllen, dieser dient aber in erster Linie als Grundlage mit Informationen über für die Einstufung relevanten Inhalte, etwa Gewaltszenen oder derbe Dialoge. Anhand dessen wird das Spiel überprüft und das entsprechende Siegel auf die Packung gedruckt. Weitere Aufdrucke geben zudem Auskunft, auf welche Inhalte sich Käufer einstellen müssen. Eine Spritze drückt aus, dass in dem Spiel Drogen konsumiert werden, während die Geschlechtersymbolik über Nackt- und Sexdarstellungen informiert. Eine Nichtkennzeichnung wie bei der USK, die fast automatisch eine Indizierung nach sich zieht, ist nicht vorgesehen.
Aber: Jedes Land kocht auch bei PEGI sein eigenes Süppchen. In den meisten Ländern ist die Einstufung beispielsweise freiwillig, andere Nationen haben sich aber für eine verbindliche Angabe entschieden. Diese und andere Vorstellungen könnte Deutschland deshalb problemlos ins PEGI-Korsett zwängen, sodass ein vermeintlicher "Vorteil" für Zocker schnell verpufft.
Mit zweierlei Maß
Trotz der verschiedenen Herangehensweisen unterscheiden sich USK und PEGI in ihren Einschätzungen im übrigen selten - und das, obwohl bei letzterer Institution ja die Publisher maßgeblich an der Einstufung beteiligt sind. So manches Mal sind sie sogar strenger. Assassin's Creed: Brotherhood dürfen in Deutschland zum Beispiel schon 16-jährige kaufen, nach PEGI-Maßstab ist das Spiel erst ab 18 Jahren geeignet. Emergency 2012 und NHL 11 sind für deutsche Zocker ab 12 Jahren freigeben, in den PEGI-Ländern müsst ihr bis zum 16. Lebensjahr warten. Übrigens: Das Konkurrenzprodukt NHL 2K11 von 2K Sports ist von der USK schon ab null Jahren freigegeben, die PEGI hat - konsequenterweise - ebenfalls den "Ab 16"-Stempel aufgedruckt.
Der Luxus USK?
Klar, bei knapp 1.500 Spielen, die beide Institutionen jährlich prüfen müssen, gibt es auch genügend Fälle, in denen sich beide Einschätzungen gleichen oder die PEGI mal lascher bewertet. Eine allgemeingültige Aussage in die eine oder andere Richtung lässt sich in jedem Fall nicht treffen. Dieser exemplarische Vergleich zeigt unterm Strich aber auch, dass eine Einstufung mit weniger Zeit- und Kostenaufwand ähnlich effektiv möglich ist. Es ist wohl deshalb nur eine Frage der Zeit, wie lange sich Deutschland diesen Luxus noch leisten will und kann. Dazu kommt, dass die Europäische Union schon seit längerem auf eine "Harmonisierung" im Jugendschutz drängt - sprich, PEGI soll in jedem Land der EU angewendet werden.
Von der Einführung der PEGI würden am Ende aber vor allem die Publisher, nicht die Zocker profitieren, wenn nicht gleichzeitig auch eine Anpassung bzw. Lockerung des Jugendschutzgesetzes in Deutschland vorgenommen wird. Und ob das passiert, ist zurzeit mehr als fraglich.
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