Preview - Nioh : Dark Souls in genauso und doch anders
- PS4
Den Besten nachzueifern, kann grundsätzlich schon mal nicht verkehrt sein. Andererseits hängt die Messlatte dadurch automatisch in Höhen, die möglicherweise unerreichbar bleiben. Team Ninja möchte mit Nioh die Lücke füllen, die das Finale der Dark-Souls-Trilogie hinterlassen hat, und dabei mehr sein als bloßer Lückenfüller. Ein Widerspruch in sich?
Nioh als den „Dark-Souls-Herausforderer“ zu kategorisieren, ergäbe vermutlich wenig Sinn. Spätestens als die drölfte Überschrift seinerzeit vergeblich den nächsten „Diablo-Killer“ anzupreisen wagte, dürfte auch dem letzten Unverbesserlichen klar gewesen sein, dass ein nahezu perfektes Spiel weder herauszufordern noch zu kopieren ist. Selbst From Software muss sich damit abfinden, dass jedes neue Spiel, das sie herausbringen, im besten Falle in die Liga von Dark Souls 1 vorstoßen, es aber kaum übertreffen wird. Entsprechend lautet die an Nioh gerichtete Frage weniger: Ist es so gut wie Dark Souls? Sondern vielmehr: Welche neuen Facetten kann es dem bewährten Spielprinzip abringen?
Im Turm von Latria, äh … London
Auf den ersten Blick ist Nioh durch und durch Dark Souls: Es startet in einem Kerker – namentlich dem Tower von London –, wir teilen unsere Zelle mit einem Toten, der durch ein weithin sichtbares Glühen andeutet, dass er bereitwillig Items abtritt. Vor der Türe patrouilliert bereits der erste Gegner. Gesundheitsbalken, Ausdauer, Lock-on, ausweichen, looten: Gleichwohl die Tasten teilweise an anderer Stelle belegt sind, ist das Kampfsystem offensichtlich von Dark Souls inspiriert.
Kisten harren ihrer Plünderung, Gebetsschreine laden statt der Leuchtfeuer zum Innehalten ein, Türen, die sich nur von einer Seite öffnen lassen, verkürzen die Wege dorthin, und die Gegner darauf tun sich weniger durch ihre Schläue hervor als vielmehr durch ihr einstudiertes Bewegungsrepertoire – das für den Spieler schnell zum Tode führt, wenn er zu unvorsichtig, nachlässig oder gierig wird. So weit also alles wie gehabt …
Dass aus diesem Uhrwerk perfekt ineinandergreifender Spielmechaniken schon durch das Justieren einiger weniger Zahnräder ein erfrischend anderes Spielerlebnis werden kann, zeigten bereits Lords of the Fallen und vor allem From Software selbst mit Bloodborne. Team Ninja haben diesbezüglich ihre Hausaufgaben, sprich: sich Gedanken gemacht und vor allem beim Kampfsystem an Stellschrauben gedreht, die Nioh zu seiner Eigenständigkeit verhelfen.
So fällt als erstes auf, dass unter dem Gesundheitsbalken der Gegner ein weiterer seine Ausdauer anzeigt. Was auf den ersten Blick nach lediglich einer kleinen kosmetischen Änderung am HUD klingt, erweist sich in der Folge als äußerst interessantes taktisches Mittel. Denn als Spieler hat man nun jederzeit exakte Kenntnis über die Befindlichkeit des Gegners. Verschanzt er sich eisern hinter seinem Schild, sehe ich nun direkt, wann seine Kräfte versagen und die Gelegenheit gekommen ist, seine Deckung zu brechen und ihm den Todesstoß zu versetzen. Drängt er mich in eine Angriffskaskade, weiß ich nun sekundengenau, wann ihm die Puste ausgeht und ihn dies schutzlos für den Gegenschlag zurücklässt.
Der Kampf wird dergestalt weniger zu einem des Auswendiglernens von Angriffsmustern, sondern zu einer Konfrontation, bei der ich die Verfassung des Gegners im Auge behalten und in meine Vorgehensweise einbeziehen muss. Man könnte auch sagen: Der Kampf läuft nun unter für beide Seiten gleichen Bedingungen ab.
Überhaupt scheint Team Ninja so vieles wie möglich beim Bewährten zu lassen und die Souls-Reihe dort zu packen, wo sie ihr Herz trägt: beim Kampfsystem. So gibt es für jede Waffengattung drei verschiedene Kampfstile, zwischen denen der Spieler wählen kann, ähnlich dem ein- oder beidhändigen Führen der Waffe in den Souls-Spielen, sowie spezielle „Weapon Arts“, die man mit den entsprechenden Voraussetzungen im fortschreitenden Spielverlauf freischalten kann.
Samurai Souls
Auch beim Level-Design wirkt Team Ninja tunlichst darauf bedacht, dem großen Vorbild in jederlei Hinsicht bestmöglich nachzueifern: Alle naselang gabelt sich der Weg, führt mal in Sackgassen mit mehr oder weniger gut versteckten Schätzen, ein andermal zu sehnlichst erhofften Abkürzungen. Der Tutorial-Level im Tower von London erinnert an das Asyl der Untoten in Dark Souls 1 oder den Turm von Latria in Demon's Souls, der anschließende Strand wiederum an das Fischerdorf in Bloodborne: The Old Hunters und die Höhle an die Niemandswerft in Dark Souls 2. Manche Bosse scheinen direkte Blutsverwandte von Queelag, Priscilla und Wolnir zu sein.
Meinen Befürchtungen, westliche Souls-Fans könnten von Niohs eigenwilligem Japan-/Samurai-Setting abgeschreckt werden, wirkt Team Ninja in dieser Weise geschickt entgegen. Vor allem auch deswegen dürfte man sich dort mit dem britischen Seefahrer William für einen westlichen Helden entschieden haben, dessen reales Vorbild älteren Semestern noch aus der 80er-TV-Serie „Shogun“ mit Richard Chamberlain bekannt sein dürfte. Die auf wahren Tatsachen beruhende Geschichte um einen britischen Kapitän, der im 16. Jahrhundert seiner Faszination für die japanische Kultur erliegt und bis zum Samurai aufsteigt, ist in Japan eine äußerst populäre Legende und wurde für Nioh mit phantastischer Folklore um Dämonen und Fabelwesen angereichert – bzw. sagen wir besser: bis zur Unkenntlichkeit neuinterpretiert …
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