Special - Das Nintendo-Problem : Bitte (keine) Veränderung!
Fans schreien nach Neuem, wollen aber Altbewährtes. Was Nintendo auch unternimmt, das Unternehmen macht es angeblich falsch. Hat sich die japanische Traditionsfirma einen Kundenkreis geschaffen, den sie nie vollends befriedigen kann? Ein Problem, mit dem kaum ein anderer Entwickler und Konsolenhersteller in dieser Form zu kämpfen hat.
Nintendo hat es nicht leicht. Einerseits sind die Anhänger des Unternehmens ein äußerst passioniertes Völkchen, das nichts auf den Mario-Konzern kommen lässt, andererseits ist es selten zufriedenzustellen. Einer der Gründe dafür liegt vielleicht darin begründet, dass Nintendo oftmals eigene Strategien verfolgt und vergleichsweise selten Fan-Wünsche erfüllt. Erwartungshaltungen werden des Öfteren durchbrochen und das sorgt für Frust und Freude gleichermaßen. Einerseits sollen bekannte Marken sich endlich um 180 Grad drehen, andererseits darf nichts an den geliebten Konzepten verändert werden. Wie soll das zu bewerkstelligen sein?
Frauenquote in Hyrule
Wer in den vergangenen Wochen Nintendos Social-Media-Kanäle verfolgt hat, wird womöglich bemerkt haben, wie Nintendo den neuen Hyrule-Warriors:-Legends-Charakter Linkle bewirbt. Dort wurden der weiblichen Version des grüngewandeten Helden Gift und Galle entgegengeschleudert. Von „Gender-Equality auf Biegen und Brechen“ war die Rede. Während die ersten Konzeptzeichnungen der Figur für das Originalspiel der Wii U zu sehen waren, wurde die weibliche Alternative noch gefeiert. Schließlich ist sie nicht einfach ein Link mit langen Haaren, sondern nutzt auch andere Waffen. Dass Linkle voraussichtlich ein eigenständiger Charakter in dem Spin-off bleiben wird, scheint nebensächlich zu sein.
Auch wenn Hyrule Warriors: Legends von Koei Tecmo entwickelt wird, befürwortete Nintendo Linkle. Das Unternehmen ist also mitverantwortlich für ihre Existenz. Lange hatten Fans sich eine weibliche Version von Link gewünscht. Vielen wird die endlich durchgesetzte Erhöhung der Frauenquote in Hyrule bestimmt Freude bereiten. Auf der anderen Seite wehren sich Massen gegen die Veränderung, die Nintendo durchgewunken hat. Dies ist nur eines von vielen Beispielen, in denen neue Impulse nicht die Reaktion ernten, die man der Stimmung zuvor hätte entnehmen können.
Never change a running system
Wie Innovation nicht ablaufen sollte, lässt sich sehr gut an der Minispielserie Mario Party erklären. Mit steigender Zahl der Ableger häuften sich die Abnutzungserscheinungen. Es gab nur zwei Optionen: das digitale Brettspiel sterben lassen oder eine Radikalveränderung durchzusetzen. Was das Studio NDCube aus dem Werk von Hudson Soft gemacht hat, ist hinlänglich bekannt. Im Fall von Mario Party ist die Kritik an der Umgestaltung nachvollziehbar. Gerade gut funktionierende Mechanismen wie das Sternekaufsystem oder die Minispiele nach jeder Runde wurden durch Zufallsereignisse und damit durch reines Glücksspiel ersetzt. Eine Veränderung zulasten des Spaßes.
(v.l.n.r.: Mario Party 10, Pikmin 3, Splatoon)
Nintendo-Kunden wollen genau das Gegenteil: Sie möchten schon im Vorfeld wissen, was der neue Nintendo-Titel auf dem Kasten hat. Ein Mario, Zelda oder Pikmin läuft im Wesentlichen nach demselben Schema ab. Solche Spiele sind so gesehen ein Kauf ohne Risiko. Das Gameplay wurde über Jahre perfektioniert und immer wieder erweitert. Drastische Veränderungen in einem funktionierenden System vorzunehmen, wäre für Nintendo ein unnötiges Wagnis. Letztendlich würden mit so einem Schritt mehr langjährige Kunden vergrault werden. Sicherer, aber nicht risikofrei, ist es, neue Ideen in frischen Marken umzusetzen.
Splatoon zeigt, wie es laufen kann: Während die Allgemeinheit dem Projekt während der ersten Präsentationen nur wenig Aufmerksamkeit zuwandte, stieß Big-N ob des fremdartigen Themas von Mensch-Tintenfisch-Mischwesen auf Skepsis. Mit fortlaufender Entwicklungszeit entpuppte sich Splatoon als eine von Nintendos bedeutendsten Neuheiten der jüngsten Vergangenheit. Eine Lücke im eigenen Spiele-Portfolio wurde gefüllt. Weder im Shooter-Genre noch im Hinblick auf Koop-Spiele war das Unternehmen vorher bestückt. Die Zahlen sprechen für die Schließung der Nische: Trotz kleinerer Hardware-Basis verkaufte sich Splatoon (4,25 Millionen Einheiten) bis heute besser als etwa Halo 5 (3,72 Millionen Einheiten).
(Pokémon Tekken)
Auf dem richtigen Weg
In den vergangenen Jahren zeigt sich, dass Nintendo mutiger mit seinen Marken umgeht. The Legend of Zelda for Wii U soll ein zeitgemäßer Open-World-Titel werden, mit Hyrule Warriors und Tri Force Heroes gelingen Spin-offs mit neuen Ideen. Wie gut das Ergebnis werden kann, wenn der Mario-Konzern seine Namen in fremde Hände gibt, zeigt jüngst auch Pokémon Tekken. Während wir in der Kernreihe Pokémon weiterhin rundenbasierte Kämpfe in 3-D erleben können, erfüllt das Beat 'em up den Wunsch nach einem dynamischen Kampfspiel in Echtzeit. Das ist im Grunde der richtige Weg: In Kernreihen wird den Kunden Sicherheit mit kleineren Innovationen geboten, während neue Serien und Spin-offs für frischen Wind sorgen.
Spannend wird es in Zukunft gerade im Hinblick auf die Hardware des Unternehmens. Denn sie arbeitete schon immer Hand in Hand mit Nintendos Software. Wird die neue Konsole NX die sichere Schiene fahren oder abermals unkonventionelle Konzepte in den Mittelpunkt rücken? Davon hängt schlussendlich auch der Aufbau kommender Spiele ab. Eines ist in jedem Fall klar: Auch mit der nächsten Plattform wird es Nintendo nicht allen recht machen können.
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