Test - Nintendo World Championships: NES Edition : Test: Klassiker-Sammlung für Speedrun-Fans
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Nicht zum ersten Mal schneidet Nintendo Uralt-Klassiker in Scheiben, um sie zu einer neuen Herausforderung zusammenzunähen. Wario Ware und NES Remix bewiesen zuvor, dass man mit diesem Konzept durchaus etwas Spaßiges auf die Beine stellen kann. Bei Nintendo World Championships: NES Edition für Switch geht die Rechnung aber nicht so recht auf. Es fehlt … ja woran eigentlich, wenn nicht an allem?
Nintendo World Championships? Guter Witz! Genau wie die sogenannte World Series der Football-Liga NFL fanden die 1990er World Championships für 8-Bit-Daddelkönige ausschließlich in den USA statt. Da es in Deutschland keinen Gamer-Wettbewerb mit NES-Spielen gab, greift der nostalgisch-bedeutungsschwangere Titel dieser seltsamen Minispielsammlung ins Leere. Den ersten (und einzigen) offiziellen Contest gab es bei uns im Rahmen einer Super-Nintendo-Werbeaktion im Jahr 1993, kurz nachdem Starwing (alias Star Fox) erschien.
Blitz-Rekorde
Die Idee, einen ähnlichen Wettbewerb mithilfe eines Online-Modus und Spielaufzeichnungen neu aufleben zu lassen, ist deswegen keinesfalls schlecht, sind es doch gerade die alten 2D-Games aus der 8- und 16-Bit-Ära, die pixelgenaue Präzision verlangen. 13 davon findet man in dieser Sammlung, nämlich Super Mario Bros, The Legend of Zelda, Metroid, Donkey Kong, Kid Icarus, Super Mario Bros. 2 (West-Version alias Doki Doki Panic), Exitebike, Ice Climber, Balloon Fight, Super Mario Bros. 3, Zelda II: The Adventures of Link, Super Mario Bros 2 (japanisches Original alias The Lost Levels) und Kirby’s Adventure.
Das ist eine sehr repräsentative Auswahl unter Nintendos Inhouse-Klassikern. Ein paar Klassiker, die sich prima für den Wettbewerb geeignet hätten, fehlen zwar (zum Beispiel Clu Clu Land, Mach Rider, Donkey Kong Junior oder Star Tropics), aber qualitativ geht das Repertoire durchaus in Ordnung. Letztendlich geht es ja auch ums Spezialisieren auf Aufgaben, die viele Spieler für Alltagsmomente in den jeweiligen Games halten.
Pixelfriemeln für Fortgeschrittene nennt man das dann wohl, wenn eine Aufgabe lediglich darin besteht, den schnellsten Weg zum ersten Super-Pilz in Super Mario Bros. zu finden, eine einzige Ebene in Ice Climber aufzusteigen oder herauszuknobeln, in welcher Reihenfolge man die ersten fünf Octorok-Monster des Ur-Zeldas besiegen muss, um eine Rekordzeit aufzustellen.
Ganze 150 solcher Mini-Aufgaben aus den 13 NES-Klassikern tischt Nintendo auf, in denen ihr beweisen könnt, wie genau ihr Super Mario, Link, PoPo, Samus und Co. steuern könnt. Die meisten nehmen nur wenige Sekunden in Anspruch. Siehe etwa die oben genannte Zelda-Aufgabe. Wir knackten sie in 2,68 Sekunden. Der erste Mario-Pilz lässt sich in unter 5 Sekunden einsammeln, während das Erreichen der ersten höheren Ebene in Ice Climber weniger als 1,35 Sekunden zu schaffen ist. Spätere Aufgaben steigen im Schwierigkeitsgrad und nehmen etwas mehr Zeit in Anspruch, aber auch hier liegt die Würze in der Kürze.
Geschwindigkeit ist alles. Eure zu beweisenden 1337 5k1ll0rz definieren sich nicht durch das Knacken der schwierigsten Level oder das Besiegen der heftigsten Bosse, sondern dadurch, dass ihr durch Übung und Analyse bei trivial aussehenden Aufgaben Millisekunden von eurer Bestzeit herunterrasiert. Leben verlieren oder falsche Wege entlanglaufen ist gar nicht erst möglich. Jeder falsche Ansatz wird durch ein Rückspulen des Spielablaufs (etwa zwei Sekunden) revidiert. Die Uhr des Wettbewerbs tickt trotzdem weiter.
Eine Einführung in Speedrun-Techniken
Klingt unspektakulär, sagt ihr? Ja, der Eindruck entsteht schnell, solang man den Controller nicht selbst in der Hand hat. Doch was hier verlangt wird, ist das Einmaleins der Youtube-Speedrunner, die derartiges nicht in kurzen Miniaufgaben vollbringen, sondern ganze Spiele am Stück in kaum nachvollziehbarer Präzision durchzocken. Super Mario Bros. mithilfe von Warpzonen unter fünf Minuten durchjagen? Funktioniert, und ist eine der wenigen längeren Herausforderungen in diesem Spiel – also eher die Ausnahme im Portfolio.
So gesehen stellt Nintendo World Championships eine Art Demo für angehende Speedrunner dar, die an dieser Spielweise Gefallen finden könnten. Und nicht zuletzt eine schnell verdauliche Zocksession, die im Überleben-Modus euer Blut in Wallung bringt, wenn ihr per Online-Verbindung versucht, drei solcher Mini-Aufgaben am Stück zu meistern, während Aufzeichnungen von acht Gegenspielern in Mini-Fenstern parallel dazu laufen.
Online-Wettbewerbe laufen also nicht gleichzeitig ab, sondern nur in Form von Replays. Eine Aufschlüsselung der vollzogenen Steuerungskommandos am Controller beweist dabei, dass es stets mit rechten Dingen zugeht. In jeder Runde wird die Hälfte der Teilnehmer eliminiert, sodass nur die Creme de la Creme aus zwei wählbaren Ligen (Silber und Gold) übrigbleibt, bis der Gewinner feststeht.
Ähnlich geht es im Weltmeisterschafts-Modus zu, allerdings sucht ihr euch dort eine von fünf vorbestimmten Herausforderungen als einzelne Aufgabe aus und steht nicht unter dem Druck einer Ausscheidungsrunde. Euer Ergebnis landet nach einem Einsendeschluss in einer Rangliste. In beiden Online-Modi werden die möglichen Herausforderungen wöchentlich ausgetauscht.
Und offline?
Die beiden Online-Modi bilden Brot und Butter für das Spielprinzip und wurden ganz nett verwirklicht. Kurze Übergangszeiten, stimmungsvolle Musik, Publikum aus der Dose, das bei Erfolgen jubelt und bei Fehlversuchen stöhnt. Sowas motiviert durchaus, ein, zwei Mal die Woche ein paar Aufgaben zu meistern. Zudem könnt ihr auf dem Sofa zu viert eure eigene kleine Heim-Meisterschaft austragen.
Habt ihr darauf allerdings keine Lust oder kennt die Spiele kaum, dann bleibt euch nur der Offline-Modus mit dem eindeutigen Namen Speedrun, der alle 13 Spiele sortiert und euch durch ein einfaches Progressions-System dazu motiviert, alle 150 Aufgaben nacheinander abzuklappern. Und an dieser Stelle fällt das Spiel leider zusammen wie ein Kartenhaus.
Einerseits ist das Progressionssystem schlecht ausbalanciert. Um neue Aufgaben freizuspielen, müsst ihr euch nämlich Münzen verdienen, indem ihr Herausforderungen möglichst schnell und effizient meistert, was in einer in Buchstaben ausgezeichneten Wertung resultiert. Selbst bei den härteren Ausgaben landete ich nie unter einem B. In der Regel schaffte ich im ersten Versuch ein A, A++ oder sogar eine S-Wertung. Allerdings sei dazu angemerkt, dass ich sämtliche enthaltenen NES-Klassiker sehr gut kenne, weil ich sie schon gespielt hatte, als sie damals neu waren.
Aber selbst für Einsteiger sollte das Freispielen anfangs wenige Probleme bereiten, weil die Freispielsummen für die folgenden Level niedrig ausfallen. Zehn Münzen? Allein für das Aufstellen eines neuen Rekords bekommt man ja schon 15. Bei schwierigeren Aufgaben steigert sich der Preis allerdings schnell. 100 Münzen? 300 Münzen gar für die letzte Aufgabe eines Spiels? Das ist weit mehr als ihr in einem Durchlauf zusammenbekommt, was euch zum Grinden längst gelöster Herausforderungen zwingt. Einzige Alternative: ihr spielt die Online-Modi. Dort werdet ihr nämlich mit Münzen überhäuft, vor allem wenn ihr gute Platzierungen einheimst.
Der größte Designfehler besteht jedoch in der Auswahl der Herausforderungen an sich. Beim Abklappern befindet man sich oft länger im Menü als man zum Lösen der aktuellen Aufgabe benötigt. Ganze Level mit fünf Minuten Spielzeit am Stück spielt man höchst selten (meist sogar nur als Schlussaufgabe eines Spiels). Der einzige echte Brocken besteht aus einer Aneinanderreihung der 13 schwierigsten Herausforderungen aus allen Spielen. Da geht dann etwas mehr als eine halbe Stunde drauf. Den Brocken dürft ihr aber erst angehen, wenn ihr alle 150 Mini-Level geschafft habt.
Angesichts des Preises von 30 Euro wäre es sicher nicht zu viel verlangt gewesen, ein paar Aufgaben einzuflechten, die nicht nur Schnelligkeit, sondern auch zusammenhängendes Geschick verlangen. Siehe etwa Super Mario Bros 3. Warum gibt es keine Challenge, 50 Leben in Level 1-2 zu sammeln? Wo bleibt der Kampf gegen Geister-Ganon in Zelda II: The Adventure of Link? Die Tricks von einst kennt eh jeder, der in seinem Leben auch nur drei Speedruns auf Youtube geschaut hat, und selbst Neulinge bekommen ja in der Aufgabenbeschreibung einen sogenannten Spielberater, der den schnellsten Lösungsweg aufschlüsselt.
Noch schöner wäre es gewesen, vollständige NES-Klassiker freispielen zu können. Sie hätten eine prima Belohnung für die Vollendung einer Herausforderungsreihe abgeben können. Aber nein, Nintendo möchte euch ja lieber die alten Schinken im Online-Abo andrehen. Ärgerlich!
Bei aller Liebe, die Freigabe der kompletten ROMs (die zwecks Weltmeisterschafts-Aufgaben sowieso im Spiel implementiert sind) hätte den Entwicklern keinen Zacken aus der Krone gebrochen, schließlich besteht die Hauptzielgruppe des Wettbewerbs aus Leuten, die diese Spiele mit hoher Wahrscheinlichkeit schon zig Mal gekauft haben, sei es als Original oder in der Virtual Console.
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