Test - Life is Strange : TWN PKS
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Life is Strange ist anders als herkömmliche Spiele und doch verfolgt es einen Trend, der sich in der jüngeren Vergangenheit durchgesetzt hat. Life is Strange ist ein Episodenspiel – eine Art von Titeln, die sich dank der Vorreiterarbeit von Telltale Games im Massenmarkt etablieren konnte und seitdem eine hohe Reputation genießt. Dennoch leidet das Konzept unter einem gewissen Verschleiß. Das liegt hauptsächlich daran, dass Telltale in diesem Bereich lange Zeit eine Monopolstellung innehatte und dementsprechend der einzige Anbieter von hochwertigen, aber stets vorhersehbaren Episodenspielen war. Das ändert sich glücklicherweise mit Dontnods Life is Strange.
Das fängt bereits mit dem Schauplatz des Spiels an. Anders als in Titeln von Telltale Games findet ihr euch nicht in einer Zombie-Apokalypse oder in einem Ödland wieder, sondern in einer schon fast außergewöhnlich normalen Alltagssituation. Ihr übernehmt die Kontrolle über das junge und introvertierte Teenager-Mädchen Max, das nach Jahren in ihre Heimatstadt zurückkehrt, um ihrer großen Leidenschaft nachzugehen und ein Fotografiestudium zu beginnen. Life is Strange präsentiert sich entsprechend seinem Hauptcharakter stets ruhig, ja, schon fast in sich gekehrt und begleitet euch nahezu die komplette Spielzeit über mit einer angenehm sanften Atmosphäre.
Yin und Yang
Um die meditative Stimmung zu kontrastieren, hält mit Chloey ein aufbrausender und schon fast radikaler Charakter in das Spiel Einzug. Chloey war sehr lange Zeit die beste Freundin von Max, bis sie aus der Stadt wegzog und der Kontakt abbrach. Seitdem ist viel passiert – Max ist reifer geworden und Chloey hat mit Rachel eine neue Verbündete für das harte Teenager-Leben gefunden. Leider ist Rachel seit einigen Wochen verschwunden. Eine Spur gibt es bislang nicht.
Fortan gilt es, gemeinsam mit Max und Chloey das mysteriöse Verschwinden von Rachel zu untersuchen und das Geheimnis zu lösen. Zugegeben, das hört sich wie eine kindische und kitschige Detektivgeschichte an. Lasst euch jedoch von der einfachen Aufmachung nicht täuschen, denn der Titel interpretiert eine bekannte Mechanik aus der Videospielwelt für seine Geschichte neu: die Zeitrückspulfunktion.
Max ist es aus mysteriösen Gründen möglich, die Zeit zurückzudrehen. Gerade die unzähligen Entscheidungssituationen erhalten dadurch eine völlig neue Struktur und erfordern so untypische Herangehensweisen. Vor allem bietet diese Funktion eine neue und interessante Ebene, von der Life is Strange in Sachen Gameplay und Narrative unheimlich stark profitiert. So werdet ihr beispielsweise wichtige Entscheidungen wieder und wieder durchlaufen, um die verschiedenen Konsequenzen zu erfahren. Wer jedoch denkt, sich dadurch stets für das augenscheinlich richtige Verhalten zu entscheiden, hat weit gefehlt.
Geschichte > Rätsel
Alle Entscheidungen, die ihr in Life is Strange fällt, sind in ihrem Kern selten durchschaubar und somit nicht schwarz oder weiß. Ferner kommt die entscheidende Regel hinzu, dass ihr lediglich Kurzzeitentscheidungen nach Belieben vor- und zurückspult. Habt ihr eine Situation erst einmal abgeschlossen und eine Entscheidung gefällt, wandert diese in den Langzeit-Pool. Somit könnt ihr diese Situation nicht ein weiteres Mal spielen und müsst vorerst mit den Langzeitfolgen eurer Entscheidungen leben. Die Krux: Langzeitfolgen einzelner Situationen sind fast nie vorhersehbar, sodass stets eine gewisse Vorsicht, aber auch Neugier in eurer Entscheidungsfindung mitspielt.
Ein sehr erfrischender Ansatz, der sich auch im Lösen einzelner Rätsel wiederfindet – auch wenn er spielerisch recht spärlich eingesetzt wird. Dontnod ist sich dessen allerdings bewusst und betont klar und deutlich, dass der Fokus auf dem Erzählen der Geschichte liegt. Die einzelnen Rätsel sind nett, allerdings nie herausragend oder in irgendeiner Art und Weise fordernd. Das ist nicht schlimm, da Charaktere, Atmosphäre, Schauplatz und das Skript das spielerisch recht simple Konzept sehr angenehm auffangen.
Warum das so gut funktioniert? Weil Life is Strange eine Seele hat und überall die Liebe zum Detail erkennbar ist. Das Tagebuch von Max bietet nicht nur einen Einblick in die Hintergrundgeschichte einzelner Charaktere, sondern auch in ihr Gewissen. Ängste, Sorgen, aber auch Hoffnung und Träume der Protagonisten werden auf charmante und lebensechte Art vermittelt. Das Ziel der Entwickler war es, Identifikationspunkte und damit Situationen zu schaffen, die jeder Teenager in seiner Schulzeit durchleben könnte. Mal abgesehen von der übernatürlichen Zeitspulfähigkeit hat Dontnod Games in der Hinsicht sehr gute Arbeit geleistet.
We played hide and seek
Hinzu kommt eine schöne Aufmachung mit einem Grafikstil, der zunächst eigenartig wirkt, sich jedoch im Laufe der rund zweistündigen Spielzeit der ersten Episode organisch in das Geschehen einbettet und nie stört. Tatsächlich fanden wir ihn nach einer gewissen Zeit sogar ziemlich schön und für die Atmosphäre des Spiels förderlich. Zusätzlich begeistert der Soundtrack, der zum Teil vom Indie-Künstler Syd Matters entliehen wurde und Life is Strange eine persönliche Note verleiht. Zwar sind uns auf der PlayStation 4 und auch auf dem PC einige Ruckler beziehungsweise Bildrateneinbrüche aufgefallen, letzten Endes überwog jedoch der Spielspaß, sodass wir über die kleinen Schönheitsfehler gerne hinwegsehen.
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