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Special - Flitzis Kolumne : GameSexpertin

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    “Wieso nennt die sich eigentlich Expertin?“ – “Die hat kein Plan von der Materie!“ – “Darf ich dir eine erotische Frage stellen?“ – “Die ist doch 'ne Frau, als hätte die Ahnung!“ – “Absolut kein Plan, aber so tun als ob!“ – “Du bist einfach nur ein mieser Wessi!“ So einen Bullshit darf ich mir nach jedem Experten-Talk im Sat.1 Frühstücksfernsehen oder Beitrag in den RTL II News im TV geben, denn ich arbeite als Frau in der Gaming-Branche. Die Facebook-Seiten werden zugemüllt von Menschen mit zu viel Zeit, Neid und grammatikalisch falschen Sätzen.

    (Anm. d. Red.: Wie immer bei Gastbeiträgen gilt: Die Meinung des Autors muss nicht zwangsläufig mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.)

    Meine Einschaltquote steigt von 11 auf 14 Prozent in 5 Minuten. Das sind im Schnitt 700.000 Zuschauer. Davon begehen circa 10 Cyber-Mobbing und 2 loben meinen Einsatz. 200 Abonnenten finden ihren Weg zu meinem YouTube-Kanal, den ich im Fernsehen nicht mal erwähnen darf, denn das wäre Eigenwerbung! 40 Mails erreichen mich, in denen mir Eltern und Laien ihre Fragen zu Videospielen stellen. 150 Facebook-Anfragen sowie 20 Nachrichten, wie toll ich sei und wie groß mein Busen sei.

    Das Kontrastprogramm könnte nicht extremer sein. Entweder Mann findet mich “geil“ und achtet inhaltlich nicht darauf, was ich in den Live-Talks erzähle, oder Mann findet mich scheiße, weil jemand, der keinen Penis und dann auch noch große Brüste hat, nicht kompetent sein kann. Zudem wissen die richtigen “Nerds“ ja so viel mehr als ich und könnten bestimmt live auf Sendung in fünf Minuten neun Spiele in aller Tiefe vorstellen. Nur zu: “The Stage is yours!“

    Mann beachte, was ich beachten muss: Du hast eine Vorbereitungszeit von drei Tagen! Bereite drei Einspieler vor! Schreibe die Anmoderation! Was könnten wir dich fragen? Ach, wir fragen einfach mal was, was nicht geplant war … LIVE. Erreiche die Zielgruppe von 3 bis 49 Jahren! Nicht im Fachjargon reden, das versteht keiner! Erreiche die breite Masse mit bekannten Spielen, keine Nischen-Games! Du hast ein Zeitfenster von vier bis sechs Minuten, halte dich an die Vorgaben der Regie! Gehe nicht ins Detail – die Quoten sinken! Stelle so viele Spiele wie möglich vor, alles andere ist zu werblich! Präsentiere die besten und erfolgreichsten Games des Jahres …

    Wo schaue ich da nach? Es gibt keine einheitlichen Charts. Amazon, Saturn & Co. sowie die digitalen Downloads haben ihre eigenen Charts. Die Publisher legen ihre Zahlen in den meisten Fällen nicht offen. The Witcher III ist bereits veröffentlicht und ein voller Erfolg. Fallout 4 steht kurz bevor, das dürfte doch erfolgreicher werden, oder? Weiß keiner! Entscheide dich! Oh, zehn Bullshit-Kommentare auf Facebook, ich hätte keine Ahnung, weil The Witcher III besser sei als Fallout 4. Oh, zehn Befürworter, dass Fallout 4 The Witcher III nach hinten verdrängt. Habe ich die Zuschauer nun zufriedengestellt? Habe ich die Publisher jetzt zufriedengestellt, die nach ihrer Bemusterung auf Promo hoffen?

    Einige Zuschauer verstehen nur Bahnhof, anderen ist es zu oberflächlich. Ich kann es einfach nicht richtig machen und deshalb schaue ich mir nicht mal mehr einen Kommentar an. Denn bisher gab es wenig konstruktive Kritik. Solche Kritik würde ich mir nämlich zu Herzen nehmen, um es besser zu machen: Rede nicht so schnell, weniger Fachausdrücke, sitz gerade, lächle viel, zieh den Bauch ein, lackier dir deine Nägel, mehr Statistiken. Alles umgesetzt, meine Auftraggeber loben mich immer mehr. Aber die, die mich von Beginn an verabscheuen, tun es noch immer. Ich werde es also nie allen recht machen können, aber dennoch liebe ich, was ich tue.

    Ich schlage mich mit lustigen Wortspielen wie “GameSexpertin“ rum. Haha, witzig. Ich trage ein Kleid, sehe aus wie eine Tussi, bin stark geschminkt, habe “dicke Titten“ und bin bestimmt arrogant. Wie ich im Fernsehen aussehe, so sehe ich gerne aus. Aber hier in Köln gehe ich mit einer Jogginghose auf die Straße, habe dezente Schminke im Gesicht und meine Nägel sind ablackiert. Ich spiele Fußball, liebe Barbecue und fühle mich in beiden Erscheinungen wohl. Ich nenne das authentisch.

    Was macht mich denn nun eigentlich zur Games-Expertin? Wann erhält eine Frau im Gaming-Bereich diesen Titel? Ich reise durch die Welt, um Spiele vor der Veröffentlichung anzuzocken. Ich unterhalte mich ausgiebig mit Entwicklern und führe Interviews. Ich schaue mir Entwicklerstudios an und berichte darüber. Ich bin im ständigen Austausch mit den Publishern, zocke selbst jedes Spiel, lese mich durch Videospielzeitschriften, habe stets die Statistiken im Auge und Chefredakteure der Games-Presse halten große Stücke auf mich. Ich weiß also, wovon ich spreche.

    Die nächsten Fernsehauftritte sind in Planung, die MAZen sind geschnitten, die Spiele bereits gespielt. Das nächste Projekt: ein Interview mit Hannes Seifert. Er ist Studio Head von io Interactive, dem Entwickler von Hitman. Jetzt werde ich schauen, was am besten zu den RTL II News und deren Zielgruppe passt. Dann quetsche ich mal jede wichtige Info in einen Beitrag von 1,5 Minuten und mache mich damit erneut zur Zielscheibe für virtuelle Kritik.

    Mami sagt mir dann wieder, was die bösen Jungs auf den Social-Media-Plattformen geschrieben haben. Eine Frage kommt ganz sicher, denn sie kommt jedes Mal, wenn ich im Fernsehen zu sehen bin: die nach der Farbe meiner Unterwäsche. Schön, dass der Herr inhaltlich doch so viel aus meinem Beitrag mitnehmen konnte. Aber damit auch ER heute etwas gelernt hat: Die Antwort ist Schwarz.

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    Über die Autorin

    Phylicia Whitney aka Flitzi ist die Frau, die viel Gedöns um Games, Digital und Social Media im Fernsehen macht. Dabei erledigt sie alles selbst, sie ist nämlich schon groß. Privat findet man sie etwa bei einem netten Klogang oder einem rohen Steak auf Facebook, Instagram oder YouTube.

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