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Test - King's Quest: Die komplette Season : Liebevolle Märchenstunden

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King's Quest ist die Mutter aller klassischen Grafik-Adventures: Gleichwohl es in der Serie nur so vor unlogischen und unfairen Rätseln wimmelte, verzauberte Sierra seine Fans über 14 Jahre lang mit den Abenteuern von König Graham und seiner Sippschaft. Zur Jahrtausendwende sank der Beliebtheitsgrad des Genres dramatisch, weshalb die Serie zu den Akten gelegt wurde. Doch weil Revivals und Reboots derzeit „in“ sind, hat Activision Blizzard den Namen herausgekramt und den Independent-Enwickler The Odd Gentlemen zu einer Neuauflage der Märchensaga überredet.

Der alte König Graham, seines Zeichens Herrscher von Daventry, hat seinen Lebensabend erreicht. Er ist aufgrund schwerer Krankheit ans Bett gefesselt und erzählt nun am liebsten Geschichten aus seiner ereignisreichen Vergangenheit. Davon profitiert insbesondere seine Enkelin Gwendoyln, die mit Freuden den Worten ihres Großvaters lauscht und selbst von Abenteuern, Drachen und Schätzen träumt.

Es war einmal ...

Grahams Erzählungen umfassen fünf Stationen seines Lebens, darunter seinen Aufstieg vom einfachen Abenteurer zum König von Daventry, das Kennenlernen der künftigen Ehefrau und die Geburt seiner Kinder. Die Stationen wurden nach und nach im Laufe der letzten 17 Monate in Form einzelner Episoden veröffentlicht. Mit dem vor wenigen Tagen erschienenen Epilog ist das Spiel endgültig komplett und hinterlässt ein erstaunlich stimmiges Gesamtpaket.

Obwohl Graham bereits am Ende der ersten Episode zum König gekrönt wird, bleibt er durch und durch ein Fan von Rätseln und Abenteuern. Das spiegelt sich in seinem Charme und seiner verspielten Natur wider, die bis ins hohe Alter reicht. Zwar wird Grahams Leben durchaus auch von ein paar dramatischen Ereignissen geprägt, die teilweise sogar richtig unschöne Konsequenzen haben, doch im Großen und Ganzen sind die Geschichten voller Witz und herrlicher Albernheiten, die sowohl Kinder als auch Erwachsene ansprechen.

Unterstützt werden die inhaltlichen Qualitäten von einer liebevoll gestalteten Präsentation, deren schick animierter Zeichentrickstil an den Klassiker Dragon's Lair erinnert und mit einer tollen Synchronisation verfeinert ist.

Das abwechslungsreiche Leben eines unverbesserlichen Abenteurers

Jede Episode umfasst eine abgeschlossene Handlung, in der ihr vorrangig mit den Bewohnern von Daventry redet, objektbasierende Rätsel löst und mit dem einen oder anderen Minispiel konfrontiert werdet. Im Nachhinein fällt auf, dass The Odd Gentlemen in jeder Episode einen etwas anderen Schwerpunkt legt.

Während die erste noch am ehesten einem klassischen Adventure gleicht, geratet ihr in der zweiten mitsamt einiger eurer Untergebenen in Gefangenschaft und müsst die streng rationalisierten Essensvorräte klug verteilen. Die dritte Episode lebt von zahlreichen Dialogoptionen, während in der vierten denkspielähnliche Kopfnüsse dominieren und in der fünften die Entwickler mit Grahams immer lückenhafter werdenden Erinnerungen spielen.

Ihr trefft über das gesamte Abenteuer hinweg einige Entscheidungen, die den Verlauf der Geschichte teilweise erstaunlich stark beeinflussen. So könnt ihr euch zwischen zwei potenziellen Ehefrauen entscheiden, die Reihenfolge bestimmter Ereignisse beeinflussen und es euch mit dem einen oder anderen Bewohner Daventrys verscherzen, wenn ihr nicht geschickt handelt.

King's Quest - The Complete Collection Trailer
Von King's Quest wird es auch eine Vollversion mit allen einzelnen Episoden geben.

Die Erzählstruktur in Form von Rückblenden entpuppt sich als eine der besten Ideen des Spiels, weil ihr Grahams Leben eben anhand seiner Erzählungen erlebt. Bei einem bestimmten Rätsel kann er sich beispielsweise nicht hundertprozentig an alle Details erinnern, weshalb ihr zwischen verschiedenen Zeiten hin- und herspringt und so lange mit den gegebenen Objekten hantiert, bis alles einen Sinn ergibt.

Leider beschränken sich viele dieser Highlights auf jeweils eine kurze Szene, die zudem in der Regel zu leicht geraten ist. Genau genommen ist die größte Stärke von King's Quest paradoxerweise zugleich seine Schwäche: Die erste Episode ist mit Abstand die umfangreichste und beste von allen.

Der Fluch der Erwartungen

Sie allein sorgte bereits vor über einem Jahr für große Euphorie unter Adventure-Fans, weil sie trotz des modernen Grafikstils und einer auf ein Joypad angepassten Steuerung hervorragend das Flair der alten Serie einfing. Das Design der Rätsel, die Entwicklung der Geschichte und die sehr gut geschriebenen Dialoge setzten einen überraschend hohen Maßstab, der leider nicht gehalten werden konnte. Erst die letzte Episode kommt nahe an die Genialität der ersten heran, was zumindest für einen würdigen Abschluss sorgt.

Um das klarzustellen: Schlecht ist keine der Episoden. Nur hatten viele Spieler nach dem grandiosen Auftakt ein monumentales Meisterwerk erwartet. So wirken manche Passagen arg straff und im schlimmsten Falle beschnitten. Zu guter Letzt fällt auf, dass der Schwierigkeitsgrad mit jeder weiteren Episode abfällt statt zunimmt.

Es lässt sich nur mutmaßen, woran das liegt: King's Quest war bislang trotz der durchweg positiven Meinungen von Spielern und Kritikern rein kommerziell betrachtet kein allzu großer Erfolg. Gerüchten zufolge musste The Odd Gentlemen deshalb ab der zweiten Episode mit einem kürzeren Budget klarkommen und den Anspruch auf Mainstreamtauglichkeit trimmen. All das erinnert an Dreamfall Chapters, auch wenn die Veränderungen deutlich weniger dramatisch sind und zum Glück keine bereits integrierten Rätsel nachträglich vereinfacht wurden.

Greift zu, wenn...

… ihr ein märchenhaftes, kindgerechtes Abenteuer sucht, das euch mit seinen charmanten Charakteren verzaubert und mit seinem gelungenen Humor zum Lachen bringt.

Spart es euch, wenn...

… ihr ein konventionelles Adventure der alten Tage wünscht oder bereits von der ersten Episode nicht überzeugt wart.

Fazit

Andreas Altenheimer - Portraitvon Andreas Altenheimer
Ende gut, (fast) alles gut

Als unverbesserlicher Fan altmodischer Point-&-Click-Adventures bejubelte ich jedes Meisterwerk aus dem Hause LucasArts, während die Klassiker von Sierra Entertainment aufgrund ihrer unlogischen Rätsel einen schweren Stand bei mir hatten. Der Reboot von The Odd Gentlemen ist hingegen derart charmant und originell, dass ich ohne jeden Zweifel sagen kann: Das neue King's Quest ist deutlich besser als alle alten.

Allem voran gefällt mir die Einteilung in verschiedene Lebensstationen, weshalb ich König Graham vom unbeholfenen Jungspund bis zum alten Greis erlebe. Obwohl die Entwickler sichtlich den einen oder anderen Story-Strang gekürzt haben, fühlt sich King's Quest von vorne bis hinten wie ein klug konstruiertes Abenteuer an. Man spürt regelrecht, welch Herzblut in die Entwicklung des Spiels geflossen ist.

Gestört hat mich nur die fallende Schwierigkeitsgradkurve. The Odd Gentlemen hätte gut daran getan, die erste Episode etwas kürzer und dafür alle weiteren länger zu gestalten. Dann wäre die Enttäuschung mancher Spieler ausgeblieben, die nach dem starken Anfang auf eine gleich bleibende Qualität und Quantität gehofft hatten.

All das ist freilich für all jene verschmerzbar, die das Gesamtpaket erst jetzt erstehen. King's Quest erinnert mich in einem entscheidenden Punkt an andere tolle Spiele aus dem Jahr 2016, wie beispielsweise The Last Guardian oder Silence: Es ist alles andere als perfekt – aber die Stärken sind einfach zu gut, weshalb ich es einfach mögen muss.

Überblick

Pro

  • wunderschöne Märchen- und Abenteueratmosphäre
  • tolle Geschichte
  • bestimmte Entscheidungen beeinflussen den Verlauf der Geschichte
  • gelungener Humor, der sowohl Kinder als auch Erwachsene zum Lachen bringt
  • stilvolle Präsentation
  • gelungene Sprachausgabe

Contra

  • qualitativ schwankendes Spiel- und Rätsel-Design
  • erste Episode ist deutlich besser als alle nachfolgenden
  • eine fallende statt steigende Schwierigkeitsgradkurve

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