Test - King's Quest Episode 1 : A Knight to Remember
- PC
Es begab sich zu einer Zeit, als Roberta Williams auszog, den Text-Adventures mit bunten Bildchen und steuerbaren Spielfiguren das Fürchten zu lehren. Doch finstere und unfaire Rätsel sollten der Euphorie im Volke Einhalt gebieten, weshalb trotz unzähliger Abenteuer ihre Taten in Vergessenheit zu geraten drohten. Die Jahre zogen ins Land, bis da plötzlich ein strahlender Ritter mit dem sonderbaren Namen The Odd Gentlemen ins Licht rückte. Er versprach eine neue King's-Quest-Saga zu schreiben und alte wie neue Zocker gemeinsam vor dem Bildschirm in ein märchenhaftes Zeitalter zu versetzen ...
Eine Geschichte aus der guten, alten Zeit
Die kleine Gwendolyn ist ein abenteuerlustiges Mädchen, das am liebsten stundenlang neben dem Bett ihres alten Großvaters hockt und seinen Geschichten lauscht. Graham hat viel erlebt, denn schließlich war er die meiste Zeit seines Lebens König von Daventry. Doch bevor er den vorhergehenden Regenten beerben konnte, musste er erst ein tapferer Ritter werden.
A Knight to Remember behandelt größtenteils diesen Abschnitt von Grahams Leben und wie er sich im Wettkampf gegen andere Bewerber für den Ritterposten erfolgreich durchsetzen konnte. Die Geschichte übernimmt dabei nur ein paar Eckdaten der alten King's-Quest-Adventures, die von 1984 bis 1998 erschienen sind, und geht ansonsten eigene Wege.
Wo sich Spieler früher mit dem Lösen abartig schwerer Rätsel abmühen mussten und alle paar Meter auf unvorhersehbare Todesfallen oder gar Sackgassen stießen, passt sich das neue King's Quest dem modernen Zeitgeist der Fairness und Schwierigkeitsgradbalance an. So könnt ihr zwar auch hier an der einen oder anderen Stelle sterben, was der alte Graham jedoch mit einem schnippischen Spruch á la “... und das wäre passiert, wenn ich wirklich so dumm gewesen wäre ...“ kommentiert, woraufhin das Spiel vor den Zeitpunkt eures fatalen Fehlers zurückspringt.
Der Kniff mit dem Erzähler ist kein purer Selbstzweck, sondern ein wichtiger Bestandteil des Spieldesigns. Schließlich müsst ihr viele Adventure-Rätsel lösen, in denen ihr klassische Gegenstände sammelt und am richtigen Ort einsetzt. In dem Zusammenhang plaudert der alte Graham immer mal gerne ein paar Tipps aus, um seine Geschichte für Gwendolyn verständlicher zu gestalten.
Obwohl das Spiel auf den ersten Blick überhaupt nicht wie die alten Adventures von Roberta Williams aussieht, stilistisch eher an einen ganz anderen Klassiker namens Dragon's Lair erinnert und sogar ein paar (leicht zu spielende) Action-Sequenzen bietet, vermittelt A Knight to Remember erstaunlich viel Atmosphäre und Retrocharme. Die Märchenwelt ist stimmungsvoll und die Dialoge gleichzeitig kindgerecht wie pointiert, weshalb Alt und Jung etwas damit anfangen können. Dabei macht The Odd Gentlemen auch nicht vor plumpen Wortwitzen halt, die bewusst auf ihre platte Weise und dank der hervorragenden Synchronisation für gesunde Lacher sorgen. Dasselbe gilt für die zahlreichen Slapstick-Einlagen, die hervorragend getimt und in Szene gesetzt sind.
Erfreulich anspruchsvoll
Die größte Überraschung verbirgt sich im Weltendesign: Zum einen gibt es erstaunlich viele Wege, wie ihr das Abenteuer bestreiten dürft. Damit beeinflusst ihr einerseits die Reihenfolge der Aufgaben, die euch bevorstehen, und andererseits die eine oder andere Zwischensequenz. Kurz: King's Quest ist für ein Adventure erfreulich nicht-linear. Leider gibt es nur eine Autosave-Funktion, weshalb ihr bestimmte Entscheidungen nicht rückgängig machen könnt und alternative Wege nur mit einem komplett neuen Spielstand bestreiten dürft.
Nach und nach wird das Gebiet, zu dem ihr Zugang habt, immer größer und immer verzweigter. In der Hinsicht erinnert das neue King's Quest wirklich an das alte von 1984, weshalb das Zeichnen einer kleinen Karte auf einem altmodischen Blatt Papier (!) durchaus Sinn macht. Doch keine Bange: Die Entwickler von The Odd Gentlemen überfordern euch keineswegs mit unnötigen Zwischenstationen oder überall gleich aussehenden Arealen. Sofern ihr nicht völlig planlos durch die Gegend marschiert, gewöhnt ihr euch schnell an den für heutige Verhältnisse ungewöhnlichen Umfang.
Überhaupt wird richtig viel Spiel geboten, insbesondere für eine von insgesamt fünf geplanten Episoden. Ihr solltet mit einer Spielzeit von mindestens fünf bis sechs Stunden rechnen, was eine typische Folge aus dem Hause Telltale Games richtig mickrig aussehen lässt. Allerdings hat sich The Odd Gentlemen die lange Zeit unter anderem durch einen unschönen Kniff erschlichen: Ihr dürft keine Zwischensequenz und keine einzige Dialogzeile überspringen. Des Weiteren läuft Graham etwas behäbig durch die Gegend, was bei den vielen Ortschaften zu dem einen oder anderen (Wortwitz beabsichtigt) Leerlauf führt.
Zum Glück haben sich die Entwickler unnötige Labereien gespart und die Textmenge auf ein gesundes Maß gestutzt. Zusammen mit der tollen Atmosphäre und der grafisch wie musikalisch schönen Umsetzung fällt das Problem deshalb weniger ins Gewicht als bei anderen Spielen, die unter einem ähnlichen Manko leiden.
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