Preview - Kingdom Come: Deliverance : Ein Königreich für einen Nerd
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Unter nicht wenigen Spielern gilt Kingdom Come: Deliverance bereits als das „Star Citizen des Rollenspielgenres“: völlig überambitioniert und daher womöglich nie fertig. Nicht weniger als die Erfüllung sämtlicher Spielerträume auf einmal wird versprochen: völlige Handlungsfreiheit, ein realistisches Kampfsystem und eine komplett simulierte Welt, die auch ohne den Spieler existiert und lebt. Wenn das mal gut geht ... könnte es überragend werden.
Kingdom Come: Deliverance hat schon einen weiten Weg hinter sich. Es wurde viel versprochen, viel gestaunt, viel gezweifelt und gehofft. So langsam heißt es aber: Butter bei die Fische! Am Haken hat uns das Spiel ohnehin schon lange. Bei einem Besuch in München führten uns die Entwickler das Questsystem vor, für das als oberste Regel gilt: Alles geht, nichts muss. Jede Entscheidung wirkt sich auf den Handlungsverlauf aus, jeder Statuswert des Charakters kann das Geschehen beeinflussen und jeder NPC ist uns entweder wohlgesinnt, uns gegenüber skeptisch oder feindselig eingestellt, was wiederum Konsequenzen nach sich zieht.
Da braut sich was zusammen
Eine Gruppe Halbstarker möchte sich an einem Adeligen des Dorfes rächen und mit einem – im durchaus wörtlichen Sinne – „Shitstorm“ sein Haus schänden. In jedem anderen Rollenspiel wäre der Fall klar: Quest annehmen, sich zum Zielort begeben, Auftrag erledigen, Belohnung einstreichen. Nicht so in Kingdom Come: Deliverance. „Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten, wie sich diese Quest lösen lässt“, erklärt uns Tobias Stolz-Zwilling vom Entwickler WarHorse. Schleichen, kämpfen, allein oder im Verbund mit den Auftraggebern – alles ist denkbar. Je nachdem wie geschickt wir dabei vorgehen, ob der Streich auffliegt oder nicht, schaffen wir uns Freunde und Feinde.
So weit, so gut – alles bis dahin hätte in einem Witcher III vermutlich ähnlich ausgesehen. Doch was dann geschieht, ist außergewöhnlich. „Wir machen einfach mal nichts“, entscheidet sich Tobias und lehnt den Auftrag ab. Was in anderen Rollenspielen zu einem unmittelbaren Scheitern der Quest geführt hätte, eröffnet in Kingdom Come: Deliverance hingegen einen unerwarteten Fortgang der Geschichte. Die Quest läuft einfach von selbst ab, ohne unser Zutun. Die Randalierer machen sich auf den Weg, um den Plan eigenhändig in die Tat umzusetzen. Wir können ihnen nun folgen oder auch nicht, uns nachträglich noch zum Eingreifen entscheiden oder aus sicherer Entfernung die Show genießen.
„Bei uns ist der Spieler nicht der Held, um den sich die ganze Welt dreht“, beschreibt Tobias die Vision dahinter. „Vielmehr seid ihr ein Teil dieser Welt, die auch ohne euch existiert und lebt.“ Spricht's und geht zum nächsten Beispiel über. Dieses Mal müssen wir für den ortsansässigen Schmied Materialien auftreiben, damit er uns daraus das „Meisterschwert“ schmiedet. Wichtigste Zutat: Bier.
„Apropos Bier“, wirft Entwickler Daniel Vávra ein. Das Getränk spiele in der Welt von Kingdom Come: Deliverance eine zentrale Rolle. Es wird nämlich benötigt, um den Spielstand zu speichern. Damit wolle man verhindern, dass die Finger des Spielers Dauergast auf der Schnellspeichertaste sind. „Jede Entscheidung hat bei uns Konsequenzen und wir wollen, dass der Spieler lernt, mit diesen Konsequenzen zu leben, statt sie per Tastendruck andauernd ungeschehen zu machen.“ Doch keine Sorge: Ein regelmäßiges Autosave gibt es natürlich auch. Man wolle lediglich unterbinden, dass der Spieler dauernd einen alten Spielstand lädt, bis sich das von ihm gewünschte Resultat für die Situation ergeben hat.
Realismus, bei dem man mitmuss
Und wo treiben wir nun Bier auf? Natürlich in der Kneipe. Dort arbeitet glücklicherweise eine gute Freundin von uns, die so freundlich ist, uns kaltes Bier zu verkaufen. „Hätten wir uns vorher weniger gut mit ihr gestellt, hätte sie uns warmes Bier gegeben, das sehr wahrscheinlich verdorben wäre, bevor wir bis zum Schmied gelangt sind“, verrät Vávra ein weiteres Detail von Kingdom Come, das einen erstaunlichen Eindruck davon vermittelt, wie komplex und realistisch die Spielwelt gestaltet ist.
Dieser Realismus bezieht sich insbesondere auch auf historische Exaktheit und Originaltreue. Das böhmische Dorf, in dem wir uns gerade befinden, gibt es beispielsweise wirklich. „Kürzlich traf ich in einer Kneipe einen Barkeeper, der zufälligerweise genau aus diesem Dorf stammt. Als ich ihm davon erzählt habe, dass seine Heimat in unserem Spiel vorkommt, gab es den Rest des Abends alle Getränke umsonst“, lacht Vávra.
So verzweigt die Handlung von Kingdom Come: Deliverance auch ist und so mannigfaltig die Entscheidungen sein können, so penibel halten sich die Entwickler an historische Ereignisse, die gleichsam die Haupt-Story des Spiels strukturieren. Im Jahre 1403, also dem Jahr, in dem wir uns im Spiel gerade befinden, wurde das Dorf Schauplatz einer blutigen Schlacht, die im selben Augenblick losbricht, als wir unsere Quest absolviert haben und das Meisterschwert in Händen halten – ein Wendepunkt im Schicksal des Protagonisten, das wir aber an dieser Stelle selbstverständlich nicht verraten wollen.
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