Preview - Indiana Jones and the Great Circle : 3 Stunden gespielt: Als wäre es der Indy-Film, den wir nie bekamen
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Ein Indiana-Jones-Spiel von den Wolfenstein-Machern MachineGames – was ist davon zu erwarten? In beiden Spielen geht es gegen Nazis, es gibt Action in Ego-Perspektive – hier hören die Gemeinsamkeiten aber größtenteils schon auf. „Indiana Jones and the Great Circle ist kein Action-Adventure im klassischen Sinne“, erklären die Entwickler auf einer Presseveranstaltung in London. „Wir sprechen eher von Adventure-Action.“ Abenteuer, Rätsel und Story stehen also im Fokus, die Action ist eher eine Begleiterscheinung. Über drei Stunden durften wir anspielen.
Indiana Jones and the Great Circle spielt im Jahr 1937 zwischen dem Jäger des verlorenen Schatzes und Der letzte Kreuzzug. Zu Beginn erleben wir Indy am Marshall College, an dem er bekanntlich unterrichtet. Bei einem nächtlichen Einbruch wird ein Medaillon gestohlen, das den Schlüssel zu einem uralten Geheimnis im Archiv des Vatikan bergen soll. Und so beginnt für ihn und uns abermals ein Abenteuer rund um den Globus, das uns unter anderem nach Italien, Ägypten und Siam (das heutige Thailand) führt.
Ah, Venedig. Oder Rom. Hauptsache Italien
Zunächst aber mal der Vatikan. Hier landen wir außerhalb der berühmten Engelsburg und müssen uns den Weg ins geheime Archiv bahnen. Und lernen dabei, was die Entwickler damit meinen, dass der Fokus auf dem Adventure und weniger auf der Action läge. Statt die Pistolenkugeln fliegen in Indiana Jones and the Great Circle eher die Fäuste. Oder Flaschen. Sprich: schleichen ist das Mittel der Wahl. Und der taktisch schlaue Einsatz von Gegenständen aus der Umgebung. Erst später im Spielverlauf erhalten wir auch Schusswaffen, doch ist die Munition dafür stets rar gesät, und Schüsse locken zudem sämtliche Gegner in der Nähe an, weswegen sie nur als letzte Notfallmaßnahme fallen sollten.
Denn bei zahlenmäßiger Überlegenheit zieht Indy schnell den Kürzeren. Im Boxkampf Mann gegen Mann gilt es, die Fäuste zur Deckung zu ballen, im richtigen Augenblick zu parieren und Zeitfenster zum Gegenangriff abzuwarten. Schlauer ist es daher, heimlich, still und leise vorzugehen und wie in Assassin’s Creed oder vergleichbaren Stealth-Spielen den Gegner von hinten zu überrumpeln. Doch auch das erfordert zunächst das passende Werkzeug.
Denn einen Betäubungsgriff wie Mr. Spock beherrscht Dr. Jones nicht. Stattdessen solltet ihr in der Umgebung nach Flaschen, Hämmern oder Besen Ausschau halten, die sich dem Gegner über den Kopf ziehen lassen. Da sie aber auch schnell kaputt gehen, ist ständiger Nachschub erforderlich, um nicht wehrlos dazustehen. Später wird die Peitsche noch zum wichtigen Utensil, mit der Indy seine Gegner ins Taumeln bringt oder sie zu sich herzieht, um ihnen einen Kinnhaken zu verpassen.
Indiana Jones and the Great Circle spielt sich daher, zumindest anfangs, auffallend ähnlich wie Dishonored. Vorsicht ist stets besser als Nachsicht, die Level-Architektur folgt zwar weitgehend einem linearen Pfad zum Ziel, weist aber stets Umwege und Alternativrouten auf, die günstigere Möglichkeiten eröffnen als der direkte Durchmarsch: Zum Beispiel schwingt ihr euch mit Indys Peitsche auf einen Vorsprung der Burg, über den sich ganze Gegnergruppen einfach umgehen lassen, oder ihr findet einen Geheimgang im Büro des Obersturmbandführers, durch den ihr nicht den streng bewachten Innenhof durchqueren müsst.
"Schlangen, warum müssen es ausgerechnet Schlangen sein!"
Deutlich offener wird das Spiel dann im ägyptischen Gizeh, dort, wo die berühmten Pyramiden und die Sphinx stehen, einem späteren Level im Spiel, den wir im Anschluss an die Vatikanreise spielen dürfen. Doch wenngleich das riesige Gebiet auf den ersten Blick wie eine typische Open World anmutet, widerstehen die Entwickler der Verlockung, sie mit Fragezeichen, Krams und Nebenquests zu stopfen.
Stattdessen schickt uns das Spiel weiterhin schön straff inszeniert von einem Missionsziel zum nächsten hindurch. Zunächst müssen wir in einer Ausgrabungsstätte der Nazis eine Kontaktperson treffen, werden dann zum Marktplatz im angrenzenden Dorf geschickt, um dort Besorgungen auf dem Bazar zu erledigen, und steigen schließlich in einen der Tempel hinab, wo wir typische Rätseleien mit auszurichtenden Spiegeln und Lichtstrahlen lösen. Vom Ablauf her also durchaus linear, die Offenheit der Spielwelt gibt einem aber das unschätzbare Gefühl, es mit einer lebendigen Umgebung zu tun zu haben und nicht bloß einem vorbestimmten Levelschlauch.
Und nebenbei erfahren wir jede Menge hübschen Fanservice: Auf besagtem Bazar machen wir Bekanntschaft mit einem frechen Affen wie in der Dattelszene von Raiders of the Lost Ark, die Ausgrabungsstätte erinnert markant an diejenige aus demselben Film, und bereits der Tutorialabschnitt (der uns nur in einem Trailer gezeigt wurde, spielen durften wir ihn nicht) ahmt die legendäre Eröffnungsszene nach, indem Indy in einem Grabmahl einen Götzen auf dem Podest erbeutet und dafür von einer tödlichen Falle überrascht wird. Und die Szene, in der Indy seiner Phobie trotzt und eine Schlange füttert, versprüht geradezu Slapstick-Charme.
Storynotizen hält der Archäologe wie sein Vater in seinem Tagebuch fest, das ihm mitsamt einer liebevollen Notiz von Freundin Marion geschickt wird, und der ikonische Fedora-Schlapphut dient beim Ableben gar als Möglichkeit zum schnellen Respawn. Auch Kollege Marcus hat zu Beginn des Abenteuers einen wichtigen Gastauftritt an der Fakultät. Bis jetzt macht der Fanservice einen liebe- und respektvollen Eindruck, allenfalls bin ich leicht besorgt, dass dem Spiel zwischen all den Hommage- und Best-of-Momenten der Filme am Ende die Eigenständigkeit abhanden gehen könnte.
Doch genau mit dieser filmreifen Atmosphäre hebt sich Indiana Jones and the Great Circle eben von seiner starken Konkurrenz, von Tomb Raider bis Uncharted, ab, deren Kopie seiner eigenen Kopie er in diesem Spiel ja irgendwie auch ist. Und auch wenn die Gesichtsanimationen mitunter etwas steifer ausfallen als es State of the Art sein sollte, so fühlte sich Der Große Kreis über die vollen drei Stunden, die ich darin verbringen durfte, exakt nach der Last-Crusade-Fortsetzung an, die wir nie bekamen: der süffisante Humor, die überzeichnete Action , das exotische Flair der Schauplätze und der Charme der Figuren und ihre Kappeleien untereinander – das alles zeugt von einer Liebe der Macher zum Ausgangsmaterial, die ebenso groß zu sein scheint wie die der Fans.
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