Test - Flintlock: The Siege of Dawn : Test: Wenn God of War und Bloodborne eine kleine Schwester hätten ...
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Die Eckdaten von Flintlock: The Siege of Dawn lesen sich ein wenig so, als hätten jedes x-beliebige Souls-like der letzten Jahre und God of War ein Baby gemacht. Gemeinsam mit einem kleinen Begleiter zieht ihr aus, um Götter zu töten, in Monsterärsche zu treten und eine hoffentlich spannende Story zu erleben. Ein durchaus spannender Mix also, der allerdings ein riesiges Problem hat – an dem die Ashen-Macher von A44 quasi keine Schuld tragen.
Das ungleiche Heldenduo von Flintlock: The Siege of Dawn weckt direkt zu Beginn jede Menge Interesse. Ihr steuert die Pionierin Nor Vanek und trefft ziemlich schnell auch das Fuchs-ähnliche Wesen Enki. Die beiden schließen sich zusammen, um die alten Götter zu töten und so die Menschheit vor der Ausrottung zu bewahren. Unter ihnen entwickelt sich schnell eine interessante Dynamik, die zwar nicht ansatzweise an Kratos und seinen Boy herankommt, aber immer wieder charmante Dialogzeilen hervorbringt.
Allerdings plätschert die Geschichte vergleichsweise langsam vor sich hin und wirkt andererseits bisweilen richtiggehend gehetzt. Bei ihrem ersten Aufeinandertreffen offenbart sich Enki schnell als ein Gott, was Nor eigentlich in blanke Mordlust versetzen sollte. Die Heldin lässt sich aber so schnell zur Zusammenarbeit breitschlagen, dass jeder Steam-Sale-Impulskauf dagegen wohlüberlegt wirkt.
Im Verlauf der etwa zehnstündigen Kampagne erfahrt ihr zwar immer mehr über Enkis Vergangenheit, Nor bleibt aber ziemlich blass. Zwar versuchen die Entwicklerinnen und Entwickler immer wieder, ihren Hass auf die Götter und ihre weiteren Motive durch Fluchtiraden und moralische Motive zu erklären, eine tiefer gehende Bindung zur Hauptfigur entsteht aber kaum. Hier verschenkt A44 viele Möglichkeiten. Denn an und für sich präsentiert sich die Welt mit ihren Kolonialzeit-Anleihen und der magischen Komponente im Ansatz schon wahnsinnig spannend. Schade, aber nicht das größte Problem von Flintlock.
Ein beseeltes Erlebnis
Auch wenn Flintlock: The Siege of Dawn in vielen Punkten an God of War erinnert, so sei hier doch klargestellt: Auch dieses Action-Rollenspiel nutzt haufenweise Souls-like-Elemente. Wie in dem scheinbar nicht totzukriegenden Hype-Genre füllen sich Tränke und andere Items auf, wenn ihr an einem Kontrollpunkt rastet. Allerdings respawnen dann auch alle regulären Feinde. Selbiges gilt für eine ausgedehnte Pause in Camps. Hier quatscht ihr eine Runde mit euren Verbündeten und wertet eure Ausrüstung auf.
Der Schwierigkeitsgrad fällt an vielen Stellen knackiger als Semmeln vom Vortag aus, allerdings bricht A44 auch mit der gnadenlosen „git gud“-Mentalität. Denn ihr dürft wahlweise in einer leichteren Stufe zocken, in der ihr kaum Schaden erleidet und im Gegenzug fast schon obszöne Mengen aus der feindlichen Lebensleiste klopft. Habt ihr hingegen Bock auf etwas mehr Herausforderung, bieten euch die Entwicklerinnen und Entwickler auch einen härteren Schwierigkeitsgrad.
Hingegen so gar nicht Souls-like-typisch erscheinen zunächst die Dimensionsrisse, die ihr überall in der Welt öffnet. Dank Enki fliegt ihr entspannt in sie herein und verharrt anschließend an Ort und Stelle, was einige interessante Plattforming-Intermezzi ermöglicht. Regelmäßig fliegt ihr von Riss zu Riss, katapultiert euch aus ihnen heraus in die Luft und entdeckt so neue Orte und versteckte Ressourcen, mit denen ihr beispielsweise eure Waffen und Rüstungsteile aufrüstet. In Kombination mit Doppelsprüngen, Dashes in der Luft und dem oftmals sehr vertikalen Levelaufbau entstehen ungeahnte Hüpffreuden, wie sie bei einem irgendwie-Souls-like nur selten zu finden sind.
In bester Souls-like-Manier stoßt ihr regelmäßig auf Abkürzungen, die zu lange Laufwege vermeiden und oftmals durch neue Dimensionrisse entstehen. Flintlock: The Siege of Dawn entlässt euch aber nicht in eine Open World, stattdessen bereist ihr weitestgehend lineare Einzelgebiete, die in ihren weiten Wüsten, faden Felsklüften und vom Kolonialzeitalter angehauchten Dörfern jede Menge Geheimnisse verstecken. Mit Elden Ring hält Flintlock nicht mit, was aber kein Problem darstellt, denn eure Erkundung wird durch neue Waffen, Lebens-Upgrades und anderweitige Goodies durch die Bank reich belohnt.
Pistole und Pulver
In den Kämpfen gegen Skelette, wandelnde Tote und auch andere Menschen nutzt Nor zum größten Teil Nahkampfwaffen. Der Dämonenschreck der Wahl ist ihre treue Axt, im Spielverlauf findet ihr aber auch andere Beile und Klingen, teils mit spannenden Effekten. Mein Favorit belegte die Feinde mit stapelbarem Feuerschaden, der ihre Lebensenergie kontinuierlich angriff.
Eingehende Attacken wehrt ihr mit gut getimten Kontern ab, was die Haltung der Gegner schwächt. Durch diverse Flüche füllt ihr die entsprechende Leiste noch weiter, was ultimativ in einem kurzzeitig betäubten Gegner resultiert und eine Möglichkeit für einen mächtigen Finisher bietet. Dieser verursacht entweder jede Menge Schaden oder knackt die feindliche Rüstung, sofern vorhanden.
Schwere Angriffe der Feinde unterbrecht ihr durch einen flotten Schuss eurer Pistole, auch hier gibt es diverse Modelle mit unterschiedlich großer Kugelkapazität. Zum Nachladen sammelt ihr aber nicht stumpf Munition auf, stattdessen füllen ausgeteilte Nahkampftreffer eure Projektile wieder auf. So entstehen schnelle und dynamische Kämpfe, die amateurhaftes Austeilen massiv bestrafen und abwechslungsreiche Attackenmuster belohnen. Als nette Ergänzung gibt es noch große Fernkampfwaffen wie Gewehre und Mörser sowie diverse Granaten, deren Ladungen sich nach jeder Rast an einem Kontrollpunkt wieder auffüllt. Sie wollen also bedacht genutzt werden.
Mit Enki bietet das Kampfsystem noch ein weiteres Element. Der niedliche Gott greift Feinde auf Knopfdruck an und senkt ihre Haltung, ganz wie Atreus in God of War. Durch Upgrades im Skilltree lenkt er die untoten Unholde zudem ab und gewährt euch so kurze Zeit zur Heilung oder für mächtige aufgeladene Angriffe, und spezielle Steine belegen Feinde mit negativen Effekten wie schwächere Angriffe oder Gift. Besonders spannend macht der Kombo-Zähler die Kämpfe. Je mehr Treffer ihr austeilt, ohne zu kassieren, desto mehr Bonus erhaltet ihr auf die verdienten Erfahrungspunkte. Hohes Risiko, hoher Ertrag.
Natürlich bietet Flintlock auch ein paar Bosse und die markieren ganz klar die Highlights im sonst tristen, generischen Gegnerfeld. Die Götter warten mit eigenen Designs auf und reichen von spitzköpfigen Zweibeinern hin zu in wallende Mäntel gekleidete Tänzerinnen. Sie muten im Ansatz menschlich an, strahlen aber doch eine gewisse Erhabenheit aus. Allerdings variieren ihre Niveauanforderungen mitunter brutal. Die ersten beiden Obermotze trieben mich an die Grenze des Schwierigkeitswechsels, danach wurde es gefühlt immer leichter.
Bei all dem Lob für das abwechslungsreiche Kampfsystem bleibt aber auch berechtigter Raum für Kritik, abseits des seltsamen Boss-Balancings. Denn zu 100 Prozent präzise fühlt sich Flintlock: The Siege of Dawn nur selten an, manchmal wirkt das Timing etwas daneben und Angriffsmuster fallen nicht immer gleich gut lesbar aus. Oder anders gesagt: Der Jank ist mit dem Spiel. Ein typisches Problem dieser Art Spieleproduktion aus der zweiten Reihe, die auch Entwickler A44 nicht umgehen kann.
Das größte Problem von Flintlock
Fassen wir also zusammen: A44 revolutioniert mit Flintlock: The Siege of Dawn weder Action-Rollenspiele noch Souls-likes. Damit befindet es sich in guter Gesellschaft von Genre-Größen, die nicht von From Software stammen, wie Lies of P und Nioh 2. Die Kämpfe laufen schnell und intensiv ab, es fehlt ihnen aber bisweilen an Präzision. Dafür funktioniert das Plattforming sehr gut, Erkundung wird belohnt und es gibt einige Neben-Aktivitäten, optionale Quests und zahlreiche Upgrade-Möglichkeiten.
Letztlich muss ich nur vier kleine Worte erwähnen und ihr werdet direkt verstehen, wo das unverschuldete Problem von Flintlock liegt: Shadow of the Erdtree. Vor einem Monat veröffentlichte From Software die gigantische Erweiterung zu Elden Ring und erschütterte damit abermals die Genreszene. Die pittoresken Panoramen, knackigen Kämpfe und die weitläufige Welt zogen Millionen Spielerinnen und Spieler einmal mehr in ihren Bann und lassen sie bis heute nicht los.
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Genau hier liegt der Hase für Flintlock im Pfeffer: Im direkten Vergleich fallen die Jank-Elemente deutlich heftiger auf. Stellt die Reise in die Schattenlande einen Fünf-Sterne-All-Inclusive-Urlaub dar, wirkt der Trip von Nor und Enki mehr wie eine nette Selbstversorger-Hütte im Nirgendwo. Weniger luxuriös, nicht so gut ausgebaut, mit einigen Unbequemlichkeiten und doch mit einem ganz eigenen Charme. Anders ausgedrückt: Der Release-Zeitpunkt könnte schlechter nicht sein, womit es ja doch irgendwie zum Fehler von A44 wird.
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