Preview - Everybody's Gone to the Rapture : Tot und doch lebendig
- PS4
Über Shropshire brach eine Apokalypse herein. Wie es zu diesem Unglück kam und was mit den Menschen passierte, möchte Everybody's Gone to the Rapture in kleinen, emotionalen Geschichten erzählen.
Im britischen Dorf Shropshire findet sich keine Menschenseele mehr. Straßen, Gebäude oder einzelne Lokalitäten – über allem lastet eine beunruhigende Stille. Was hier passiert ist, weiß zu diesem Zeitpunkt niemand. Viele Häuser scheinen in Eile verlassen worden zu sein. Doch warum? Die Szenerie wirkt unberührt, mit ihrer grünen Landschaft schon fast entspannend. Der einzige Hinweis, der über das Schicksal Shropshires aufklären könnte, ist eine sich ständig wiederholende Radiomeldung:
„Lassen Sie Radio und Fernseher eingeschaltet. Bleiben Sie zu Hause und meiden Sie Kontakt mit anderen Menschen. Führen Sie keine Telefongespräche außerhalb ihres Wohnortes. Verfallen Sie nicht in Panik und bewahren Sie Ruhe. Bleiben Sie auf diesem Sender für weitere Informationen.“
Everybody's Gone to the Rapture ist ein Experiment. Ein Experiment, das die narrativen Mechaniken von Videospielen ergründen und weiterentwickeln möchte. Tatsächlich zählt Entwickler The Chinese Room mit seinem Erstlingswerk Dear Esther im Bereich der interaktiven Erzählung bereits zu den Pionieren. Bei dem Titel gelang es dem Entwickler, mit enorm einfachen und simplen Methoden eine Geschichte zu erzählen, die in der Form in keinem anderen Medium möglich gewesen wäre. Statt bestimmte Aufgaben oder Missionen zu erfüllen, um weitere Handlungsfragmente zu erhalten, habe man Atmosphäre, Szenerie und Musik für sich arbeiten lassen. Mit Erfolg: Dear Esther wurde mit unzähligen Auszeichnungen prämiert, darunter der renommierte britische BAFTA-Award im Bereich „Videospiele“.
Minimalismus als Selbstzweck
Minimalismus als Selbstzweck – ein Konzept, das The Chinese Room mit Everybody’s Gone to the Rapture konsequent fortführt und weiterentwickeln möchte. Als wir unsere ersten Schritte in Shropshire machten, gab es keine Einführungssequenz oder sonstige Anleitungen, die uns behilflich sein könnten. Kein HUD, das uns Hinweise und Informationen einspielte, die wir situationsabhängig zu unserem Vorteil nutzen könnten. Der außergewöhnliche Titel will uns zum Umdenken motivieren und signalisiert damit ganz klar: Hier erwartet dich kein klassisches Spiel – denke unkonventionell, um eine unkonventionelle Erfahrung zu erhalten.
Dementsprechend sind klassische motivationsfördernde Fragmente in Form von Missionen nicht Bestandteil des Titels. Aus einem bestimmten Grund: Solche Mechaniken würden von der eigentlichen Erzählung ablenken und die Erwartungen der Spieler verändern. Eure Belohnung besteht nicht darin, coole neue Fähigkeiten oder Geld nach abgeschlossenen Missionen zu erhalten. Stattdessen will der Titel zum Erkunden eines melancholischen, trostloses Dorfes motivieren – und euch dafür mit einer schönen, traurigen und bisweilen auch herzzerreißenden Geschichte belohnen.
Sprechende Wände
Die Geschichte wird in einzelnen Versatzstücken erzählt, die wiederum in sich geschlossene Kurzgeschichten ergeben. Während ihr die verlassenen Häuser und Umgebungen Shropshires erkundet, tauchen an bestimmten Orten schimmernde Figuren auf. Sie stellen die Bewohner des Dorfes dar und spiegeln Situationen wider, die vor, während und stellenweise auch kurz nach der Apokalypse auftraten. Die Monologe und Dialoge der einzelnen Szenen sind nicht sonderlich lang. Dennoch schafft es der Titel in nur wenigen Zeilen Text, Gefühle der einzelnen Charaktere wie Angst, Demut, aber auch Hoffnungen zu vermitteln. Insgesamt werden euch sechs Protagonisten immer wieder begegnen, deren Geschichten ihr erfahrt.
Die Charaktere sind jedoch nicht die einzigen Ankerpunkte, die euch bei eurer Suche nach dem Warum helfen. Shropshire ist zwar mittlerweile verlassen, dennoch verraten Umgebungen, Zimmer und einzelne Szenerien viel über die ehemaligen Bewohner und deren Lebensweisen. Das sogenannte Enviromental Storytelling wird genutzt, um wichtige Faktoren wie Atmosphäre und Immersion zu stützen – dieser Umstand wiederum regt zur eigenen Interpretation an. Ihr fangt an Versatzstücke der Handlung zusammenzufügen und mit eigenen Theorien zu unterfüttern. Ein Konzept, das bereits bei Dear Esther äußerst gut funktionierte.
Musik, euer einziger Begleiter
Damit dieses Konzept jedoch sein volles Potenzial entfaltet, bedarf es eines Elements, das subtil und doch so unheimlich wichtig für den Titel ist: die Musik. Jessica Curry, Studioleiterin und talentierte Komponistin, ist für den Soundtrack von Everybody’s Gone to the Rapture verantwortlich, der dem Spiel die Flügel verleiht, um sich endgültig vom herkömmlichen Einheitsbrei abzuheben. Die Musik ist - nach den ersten Eindrücken - euer stetiger Begleiter. Sie hilft euch, Situationen einzuschätzen und den Ton der einzelnen Geschichten zu erkennen. An diesen Gedanken solltet ihr euch gewöhnen. Wollt ihr Everybody’s Gone to the Rapture tatsächlich spielen, wird die Musik für die meiste Zeit euer einziger Begleiter bleiben.
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