Test - eFootball PES 2020 : Der große Neuanfang?
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Fans wissen es längst: Konamis PES steht für tolle Spielbarkeit, grandiose Ballphysik und tiefgreifende taktische Möglichkeiten. Aber die übermächtige FIFA-Konkurrenz sorgt mit ihrer Hochglanz-Hülle und Lizenzpower Jahr für Jahr dafür, dass sich die Japaner mit dem zweiten Platz begnügen müssen. Doch diesmal zeigt man sich ungewohnt kampfeslustig.
eFootball PES 2020 will an den bekannten Kräfteverhältnissen nämlich rütteln und geht mit frischem Selbstbewusstsein in die Saison. Das dürfte auch am aufsehenerregenden Exklusivdeal mit dem italienischen Schwergewicht Juventus Turin liegen. Das Team um Superstar Cristiano Ronaldo gibt es komplett lizenziert nur in PES 2020. Bei FIFA firmiert der Club unter der Fantasie-Bezeichnung Piemonte Calcio. Ist dies also die Saison, die den Grundstein für eine mögliche Wachablösung legt?
PES war immer ein Spiel, bei dem es vor allem auf die inneren Werte ankam. Die Hülle war oft wenig verheißungsvoll, konnte mit ihren biederen und umständlichen Menüs sogar abschreckend wirken. Die Grafik und vor allem die Spielermodelle mussten sich vor der Konkurrenz zwar keinesfalls verstecken, aber in Puncto Atmosphäre und Authentizität blieb Konami stets hintendran. Doch nicht nur hier zeigt man sich heuer abermals verbessert, auch das Gameplay lässt in gewohnter Manier die Muskeln spielen.
Von Tiki-Taka bis volle Offensive
Das wird vor allem deutlich, wenn man eine Partie mit einer der Mannschaften startet, die Konami als Partnerclubs gewinnen konnte. Neben dem bereits angesprochenen Juventus Turin zählen auch Manchester United sowie der FC Bayern München neuerdings zu diesem Kreis. Der deutsche Rekordmeister ist neben Bayer 04 Leverkusen und dem FC Schalke 04 zugleich der einzige Bundesligaclub im Spiel. Mit der Serie A ist eine große europäische Liga offiziell dabei. Premier League und LaLiga fehlen einmal mehr, können jedoch mittels Editor und entsprechender Dateien kinderleicht ins Spiel übertragen werden.
Die Allianz Arena wurde äußerst detailliert ins Spiel übertragen. Laufen die Akteure aus dem Spielertunnel aufs Feld, erwartet sie ein wahrer Hexenkessel. Das Spiel schlägt hier die Realität, denn wer mal bei einem echten Spiel der Bayern war, der weiß, dass die Stimmung dort eher selten auf dem Siedepunkt ist. Die Konterfeis der Partnerclub-Starspieler um Lewandowski, Pogba und Ronaldo sind sehr gut umgesetzt, sogar den Laufstil diverser Ballsportler hat Konami in die virtuelle Dimension übertragen.
Nun aber zum wichtigsten Punkt: Spielerisch ist bei PES wieder alles im Lot. Die Demo sorgte mit diversen K.I.-Aussetzern und einem in einigen Situationen hampeligen Ablauf für vereinzeltes Stirnrunzeln, doch das fertige Produkt findet einen sehr guten Mittelweg zwischen Anspruch und Zugänglichkeit. Die Unterschiede zwischen dem Leistungsniveau einzelner Mannschaften und Akteure sind jederzeit sicht- und fühlbar. Ein Messi hat nun einmal eine ganz andere Ballbehandlung als ein durchschnittlicher Kicker aus der zweiten französischen Liga.
Nur keine Hektik
Das Spieltempo ist geringer als im Vorjahr, aber dennoch genau richtig getaktet und prima dosierbar. Elegantes Umschaltspiel ist damit ebenso möglich wie schweißtreibende Abwehrschlachten. Alles fühlt sich so an, wie es soll: Pässe, Schüsse und Zweikämpfe haben das passende Maß an Wucht. Das liegt auch daran, dass die Physis der Sportler wortwörtlich noch mehr ins Gewicht fällt. Das neue Dribbling mittels rechtem Analogstick ist zum Glück nicht zu mächtig ausgefallen und die Möglichkeit, taktische Fouls zu begehen, erweitert die Optionen in der Defensive.
Wir sind allerdings noch nicht sicher, wie gut wir es finden, dass die eigenen Mitspieler eifrig signalisieren, dass sie anspielbereit sind. Zum einen stärkt das nochmals den Realismus des Spiels und sorgt dafür, dass sich einige traumhafte Steilpässe und Flanken verarbeiten lassen. Zum anderen ist es fast schon zu effektiv und führt dazu, dass man nur noch Augen dafür hat, welcher Teamkollege gerade wo seine Hand hebt.
Ein großes Augenmerk liegt erneut auf den taktischen Optionen. Ihr könnt erneut nicht nur die Grundausrichtung euer Offensiv- und Defensivreihen regulieren, sondern auch während des Spiels jeweils zwei Anweisungen für Angriff und Verteidigung hinzuschalten. Das benötigt einiges an Feintuning und ein grundsätzliches Verständnis von den Fähigkeiten eurer Elf, ist langfristig aber sehr belohnend, wenn irgendwann ein Rädchen ins andere greift und ihr dann genau die Art von Fußball zelebrieren könnt, die euch vorschwebt.
Besonders hervorheben wollen wir an dieser Stelle noch die traumhaften Animationen der Kicker. Punktgenaue Außenristpässe, packende Zweikämpfe und spektakuläre Torwartparaden sehen so gut aus, dass man ständig auf die Zeitlupenfunktion zurückgreifen und sich das alles noch mal im Detail angucken möchte. Kneift man die Augen zusammen, ist das Geschehen auf dem Rasen kaum noch von einer TV-Übertragung zu unterscheiden. Klingt wie ein Klischee, ist aber so. Dazu trägt auch die neue Stadion-Kameraperspektive bei, die allerdings in einigen Situationen dem schnellen Spielverlauf nicht folgen kann und den Bildausschnitt zu langsam in die richtige Richting scrollt.
Glücksspiel Online-Modus
Fangen wir mit dem Positiven an: Eine schnelle Online-Partie findet sich eigentlich immer. Lobenswert ist hier, dass ihr vorab die Parameter für die Partie festlegen könnt. Wollt ihr nur gegen jemanden spielen, der mit einer Mannschaft von vergleichbarer Stärke agiert oder nicht auf eine starke Passhilfe zurückgreift? Auch die Stabilität der Verbindung wird euch vor dem Match angezeigt. Ruckelpartien sollten also eigentlich ausgeschlossen sein. Trotzdem ist eine schwankende Verbindungsqualität euer häufiger Begleiter beim Kräftemessen via Internet.
Konami verzichtet weiterhin auf offizielle PES-Server und bleibt stattdessen dem längst überholten Peer-to-Peer-System treu. Das hat zur Folge, dass Online-Partien trotz eigener Top-Leitung teilweise unspielbar werden, weil der Gegner seine Verbindung über das Handynetz aufbaut. Dazu kommt das altbekannte Lag-Cheating, mit dem sich selbst ein 0:3-Rückstand zur Pause noch locker in einen Sieg verwandeln lässt. Die sehr wechselhafte Online-Performance zieht sich durch alle Spielmodi, fällt aber besonders bei Begegnungen im myClub-Modus auf. So reagierten unsere Sportler häufig derart spät und träge, dass selbst einfachste Pässe zur Glückssache wurden.
Bleiben wir kurz beim myClub, denn leider gibt es auch sonst wenig Neues zu berichten. Wie in den Vorjahren investiert ihr erspielte GP oder reales Geld in neue Spieler und Trainer für euer Traumteam. Der Zufall spielt wieder eine große Rolle und bestimmt, ob aus den Spielerpaketen einen Superstar oder eine Gurke erhaltet. Auf Taktik und Teamchemie könnt ihr wiederum einwirken, genauso spielen Position sowie aktuelle Form eurer Akteure eine wichtige Rolle. Soweit, so bekannt. Veränderungen oder Neuerungen bei den verfügbaren Spielmodi sucht ihr vergebens, einzig die Darstellung der Spieler und ihrer Werte im Detail wurde verändert.
Integriert wurde auch der Matchday-Modus, der bei unserem Testpartien aufgrund der erwähnten schlechten Verbindung leider zum reinen Lagday verkam. Das ist schade, denn grundsätzlich ist diese Spielart eine schöne Sache. Ihr entscheidet euch zu Beginn für eines von zwei Lagern – in unserem Fall standen der AC Mailand und Inter Mailand zur Wahl. Danach absolviert ihr in einem festgelegten Zeitraum Online-Partien gegen Spieler der Konkurrenz und sammelt Punkte für eure Seite. Am Ende des jeweiligen Matchday treten die beiden besten Spieler jeder Gruppe im Finale gegeneinander an, das ihr euch live ansehen könnt. Als Belohnung winken unter anderem spezielle Scouts und GP-Boni für myClub.
Mit Matthäus zur Meisterschaft
Das Herzstück von PES 2020 ist glücklicherweise offline spielbar, nämlich die gute alte Meister-Liga. Wie gehabt greift ihr entweder auf den echten Kader der gewählten Mannschaft zurück oder startet mit der kultigen No-Name-Truppe, die ihr durch Erfolge, Training und kluge Transfers schrittweise zu einer erfolgreichen Mannschaft aufbaut.
Hinsichtlich der Menügestaltung hat sich eFootball PES 2020 hier deutlich bei der FIFA-Konkurrenz bedient – eine gute Entscheidung. Die zahlreichen Zwischensequenzen, die euer Trainer-Alter-Ego – es stehen unter anderem die Modelle von legendären Ballkünstlern wie Maradonna, Matthäus und Cruyff zur Wahl – bei Pressekonferenzen, Taktikbesprechungen oder Kaffeepausen mit dem Vereinsboss zeigen, sorgen für Flair. Jedoch wirkt es sehr befremdlich, dass sie über keinerlei Sprachausgabe verfügen und dadurch alle Sequenzen zur Pantomimen-Show geraten.
Transferverhandlungen laufen endlich realitätsnah ab. So kosten Superstars oder verheißungsvolle Jungprofis teils irre Summen, die man mit seinem begrenzten Budget erst einmal stemmen muss. Dass die vereinsinternen News beinahe jeden Neuzugang als Übertransfer des Jahres anpreisen, wirkt wiederum völlig überzogen.
Ebenfalls neu ist die Inszenierung großer Rivalitäten. Im Vorfeld prestigeträchtiger Duelle, beispielsweise Milan gegen Inter oder Rangers gegen Celtic, steigt die Spannung, schließlich wollen Clubführung und Fans einen Sieg sehen. Am Spieltag selbst dreht die Stimmung dann richtig auf, selbst der ansonsten schwache und oft unpassende deutsche Kommentar geht auf die jeweilige Begegnung ein.
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