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Test - Dustborn : Dieses Spiel ist Life is Strange, X-Men und Guitar Hero. Gleichzeitig

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Kennt ihr das, wenn ihr euch am Buffet bedient und dabei alle möglichen Gerichte auf den Teller ladet, die unter normalen Umständen nie dort in dieser Kombination landen würden? Und wenn ihr dann am Tisch sitzt, fragt ihr euch entgeistert, welcher Teufel euch geritten hat, diesen wirren Mischmasch zusammenzustellen. Aber in all dem sonderbaren Kuddelmuddel dissonanter Aromen ergeben sich zwischendurch immer wieder Bissen ungeahnter Geschmackserlebnisse, deren erfrischende Andersartigkeit man sonst nie herausgefunden hätte. Wie Marmelade und Erdnussbutter zum Beispiel.

So in etwa könnt ihr euch Dustborn vorstellen, das neue Spiel von Red Thread, den Machern des Adventure-Klassikers Dreamfall, und Publisher Quantic Dream, der für seine stilbildenden interaktiven Filme Heavy Rain und Detroit: Become Human bekannt ist.

Denn Dustborn wirkt wie ein schrill schillerndes Kaleidoskop unterschiedlichster Bestandteile, und das in jederlei Hinsicht, nicht nur spielerisch, sondern auch erzählerisch. Mitunter macht es den Eindruck, als hätten völlig verschiedene Entwicklerstudios jeweils völlig verschiedene Spiele und Geschichten geschrieben, die am Ende alle irgendwie zusammengeworfen wurden, ungeachtet ob es nun passt oder nicht. Und wenn nicht, umso besser, denn nur so entsteht etwas völlig Neuartiges. Das Ergebnis ist in jedem Fall schon mal unkonventionell, andersartig und strahlt allein dadurch bereits eine Qualität aus, die ganz für sich steht.

Die Geschichte von Dustborn erzählt irgendein wildes Patchwork zwischen kritischer Polit-Dystopie, mahnender Superhelden-Allegorie auf Rassismus und Ausgrenzung à la X-Men, Selbstfindungs-Drama nach Art von Life is Strange, schwülstig esoterischem Fantasy-Märchen und einem Roadmovie-Abenteuer über eine aufstrebende Rockband wie in, sagen wir mal: Almost Famous.

Und spielerisch folgt es zwar über weite Strecken dem Muster interaktiver Geschichten nach Don’t-Nod-Vorbild voller Entscheidungen und ausschweifender Dialoge. Zwischendurch wechselt Dustborn aber auch immer wieder geradezu tollkühn durch alle erdenklichen Spielgenres: Actionreiche Arena-Kloppereien gegen Wellen von Gegnern samt mehrstufigem Skilltree gibt es da, aber auch Guitar-Hero-artige Musikspiel-Reaktionstests.

Und an der Stelle ist noch lange nicht Schluss. Holla, die Waldfee, welch ein verwegenes Sammelsurium aus Versatzstücken! Na, wenn das mal gut geht …

Story: irgendwas zwischen Life is Strange, X-Men und Almost Famous

Dustborn spielt in einer alternativen Realität der nahen Zukunft. Darin kam John F. Kennedy nicht bei einem Attentat ums Leben, sondern stattdessen seine Frau Jackie. Daraufhin widmete er den Rest seiner Amtszeit der Verschärfung der inneren Sicherheit, was sich aber über die Jahre in das erschreckende Gegenteil der ursprünglichen Absicht verkehrt. Schritt für Schritt wandeln sich die USA in einen autoritären Polizeistaat, der brutal gegen Andersdenkende vorgeht und schließlich in mehrere Teilrepubliken zerbricht.

Ihr spielt Pax, eine sogenannte „Anomale“. Das sind Mutanten, die ähnlich wie im Universum der X-Men über übernatürliche Fähigkeiten verfügen und von den Behörden gejagt werden, um ihre Kräfte zu studieren und unschädlich zu machen. Pax selbst etwa verfügt über die Fähigkeit, Gegenstände per Gedankenkraft zu bewegen, ihre Freundin Sai ist superstark, und ihre non-binäre On-off-Beziehung Noam unterwirft Menschen ihrem Willen mit der Macht ihrer Stimme.

Gerade erst haben Pax und ihre Freunde einen Coup gelandet, der ihnen einen Neuanfang mit einem Leben fernab der Diktatur ermöglichen soll. Mit gestohlenen, geheimen Regierungsdaten im Gepäck bricht die ungleiche Gruppe ganz menschlicher Superhelden zu einem Roadtrip quer durch die USA auf.

Um nicht von ihren Häschern behelligt zu werden, gibt sich das diverse Ensemble in seinem klapprigen Bus als Rockband auf Tournee aus und hofft so, auf ihrer Fahrt von Gig zu Gig in schäbigen Truck-Stops unbemerkt unter dem Radar der Behörden das Land durchqueren zu können. Doch unterwegs stellt sich nicht nur nach und nach heraus, dass die erbeuteten Informationen den Schlüssel zu einem sehr viel größeren Geheimnis bergen, das den Ursprung ihrer rätselhaften Superkräfte erklären könnte. Auch die fragile Balance im Beziehungsgeflecht der höchst unterschiedlichen Charaktere gerät zusehends ins Wanken, alte Wunden reißen auf und Freundschaften werden auf eine harte Probe gestellt.

Interaktive Geschichte: Superhelden in der Selbsthilfegruppe

Soviel also erstmal zur Story, die einen bunt sprudelnden Genre-Cocktail zusammenbraut. Hier wird nicht gerührt, sondern gleich kräftig geschüttelt. Ich hoffe, ihr kommt noch halbwegs mit. Denn nun kommen wir zum Gameplay, und das setzt dem Gebräu nicht nur Schirmchen und Strohhalm auf, sondern gleich die Krone.

Über weite Strecken handelt es sich bei Dustborn um eine interaktive Geschichte nach Art der Life-is-Strange-Spiele von Don’t Nod. Auf eurem Roadtrip von der West- an die die Ostküste der USA erkundet ihr bei jedem Stopp die Gegend – eine Autobahn-Raststätte, ein runtergekommenes Motel, die Ruine einer alten Roboterfabrik -, haltet nach Crafting-Materialien und Sammelobjekten Ausschau, löst kleinere Aufgaben (Benzin zum Weiterfahren organisieren, die wachsamen Polizisten am Straßenrand ablenken) und unterhaltet euch mit Passanten sowie euren eigenen Weggefährten.

Und ebenfalls wie bei den Spielen von Don’t Nod bildet der übersinnliche Hokuspokus lediglich den Aufhänger für das Geschehen, aber nicht seinen eigentlichen Sinn und Zweck. Der handelt von den Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Freunden und Schicksalsgenossen wider Willen, die sich nach und nach zu einer eingeschworenen Widerstandstruppe (und Rockband) zusammenraufen.

Im Gegensatz wiederum zu den Spielen von Don’t Nod, Telltale & Co. trefft ihr in Dustborn allerdings keine Entscheidungen, die die Geschichte in unterschiedliche Bahnen lenken. Stattdessen beeinflusst ihr mit nahezu jeder Dialogauswahl subtil das Verhältnis von Pax zu ihren Mitstreitern, was sich wiederum auf ihr Verhalten in Schlüsselszenen und drei unterschiedliche Endsequenzen auswirkt.

Dadurch gebt ihr etwa der Beziehung zu eurer Ex-Freund:in eine zweite Chance oder haltet sie kühl auf Distanz, verzeiht eurer besten Freundin einen schwerwiegenden Fehler oder lasst es auf ein Zerwürfnis ankommen. Ihr akzeptiert entweder den Revoluzzer Theo als Anführer eurer Gang oder untergrabt seine Autorität und macht ihm so schrittweise seine Position streitig. Und nicht zuletzt sorgt ihr dafür, dass Pax das angeknackste Verhältnis zu ihrer kleinen Schwester kittet oder der Riss zwischen den beiden immer größer wird.

Man kann es sich vermutlich schon denken: Dustborn tritt extrem redselig auf und gesteht den Protagonisten viel Raum zu, um all ihre Probleme, Sorgen, Konflikte, Meinungsverschiedenheiten und Gefühle aus allen Blickwinkeln ausgiebig durchzudiskutieren. Mitunter wähnt man sich schon mehr als stiller Beiwohner einer Selbsthilfegruppe als in einem aufregenden Videospiel. Zumal die Dialoge im Bestreben nach psychologischer und emotionaler Tiefe diese wie in einer gefühlsduseligen Seifenoper in erster Linie im Breittreten der eigenen Befindlichkeiten zu erreichen suchen und weniger im vielschichtigen Verhandeln komplexer zwischenmenschlicher Dynamiken.

Da wird sich allenthalben entschuldigt, nach dem Befinden erkundigt und das eigene Verhalten wortreich infrage gestellt, sodass man ihnen schon beinahe zurufen möchte: „Meine Güte, kommt einfach mal klar!“ Das führt paradoxerweise dazu, dass, obwohl sich das Spiel ausgiebig Zeit für die Emotionen der Figuren nimmt, diese nicht auf den Spieler überschwappen wollen, man nur wenig Anteil an ihrem Schicksal nimmt oder mit ihnen mitfiebert, sie nicht einmal richtig sympathisch oder wenigstens liebenswert findet.

Auch das tapfere und wichtige Bekenntnis des Spiels zu einem modernen, diversen Geschlechterbild verliert in dieser Ansammlung von Belanglosigkeit zusehends an seiner Aussagekraft, weil von einem bedeutsamen Statement unterm Strich nur die guten Absichten erkennbar bleiben. Dustborn ähnelt in vielen dieser Punkte dem zwar gut gemeinten, aber weitgehend nur anstrengend bemühten Tell Me Why von Don’t Nod.

Bezeichnenderweise ist Dustborn nicht dann am berührendsten, wenn sich die Charaktere gegenseitig an ihren Schultern ausheulen, sondern in eher skurrilen Momenten, wie der zum Scheitern verurteilten Liebesgeschichte zwischen einem Tankwart und der Roboter-Bedienung in einem Diner. Oder einem völlig eskalierenden Besäufnis nach einem erfolgreichen Auftritt, bei dem es dem Spiel auf einmal ganz mühelos lediglich in einer irre witzigen Montagesequenz gelingt, den Charakteren und ihren Beziehungen genau den emotionalen Anker, Zusammenhalt, ein Herz und diesem Ausdruck zu verleihen, der ihm in stundenlangen Erörterungen eben nicht glückt.

Gameplay: plumpe Kämpfe und Musikspiel-QTEs

So, das dazu. Habt ihr euch ein wenig erholt? Denn ich schulde euch noch Schirmchen, Strohhalm und die Krone. Und die kommt jetzt. Denn offenbar war den Entwicklern genau bewusst, dass endlos im Kreis drehendes Problemeausdiskutieren über eine Spielzeit von über 20 Stunden nur ermüdet. Daher lockern sie das Geschehen mit regelmäßigen Kämpfen gegen Wellen von Gegnern auf.

Und das fällt bei weitem ausgefuchster aus, als man es von einem derartig lediglich zur Auflockerung gedachten Einsprengsel erwarten würde. So lässt sich eure Waffe im Verlauf des Spiels mit gesammelten Crafting-Materialien in zig Stufen verbessern und mit neuen Fähigkeiten ausstatten. Zudem erlernt ihr immer neue Superkräfte, mit denen sich eure Gegner im hohen Bogen durch die Luft schleudern lassen, sie für einen Moment betäubt werden und wehrlos verharren oder übereinander herfallen.

Doch leider erweist sich das Steuerungsgerüst des ansonsten eher bedächtigen Walking-Simulators als nur bedingt geeignet und nachgerade plump für derart schnelle Action. Was zur Auflockerung gedacht ist, wird mancher eher als Störfaktor empfinden.

Nun könnte man geneigt sein den Entwicklern zu raten, sie hätten die Kämpfe daher wohl lieber einfach weggelassen. Doch zum einen fällt das Kampfsystem wie beschrieben deutlich zu ausgearbeitet aus, um als verzichtbares Beiwerk abgetan zu werden. Zum anderen würde ich trotz aller Kritik dennoch nicht auf sie verzichten wollen, weil sich Dustborn ohne sie eben noch zäher und schwafeliger anfühlen würde als ohnehin schon. Auflockerung hat dieses Spiel zwingend nötig, egal in welcher Form.

Genau aus diesem Grund wirft Dustborn noch weitere Gameplay-Hüte in den Ring, die man normalerweise nicht in dieser Art von Spiel erwarten würde: Als drittes Standbein absolviert ihr regelmäßig Musikspiel-Passagen nach Vorbild von Guitar Hero, in denen ihr die Controllerknöpfchen im Rhythmus zur Musik an den richtigen Stellen drücken müsst, damit die Tarnung der Band bei ihren Auftritten in kleinen Clubs nicht auffliegt.

Und obwohl ich derartigen Reaktionstests in Spielen nur wenig abgewinnen kann (siehe das in vielerlei Hinsicht recht ähnliche Road 96: Mile 0), entfalten sie in ihrer geradezu bizarr deplatzierten Anmutung in diesem schrillen Genre-Mischmasch eine Wirkung, deren Faszination man sich irgendwann kaum mehr entziehen kann. Denn zwischen den schwermütigen Diskussionen schickt Dustborn seine Selbsthilfegruppe für ausgelassene Pausen ins heitere Bällebad nebenan.

Sammelobjekte etwa werden in Dustborn nicht einfach per Knopfdruck ins Inventar befördert, sondern müssen erst wie bei den Ghostbusters mit einem Energiestrahl eingefangen werden - und das mit einem alten umgebauten Game Boy! Um neue Fähigkeiten zu erlernen, absolviert ihr zunächst ein Minispiel, das an die Radios von Oxenfree erinnert. Dann wiederum pflegt ihr die Freundschaften zu euren Gefährten durch nette Worte und kleine Aufmerksamkeiten wie in Persona.

Einen Rückblick zur Klärung der Vorgeschichte gar inszeniert Dustborn im kuriosen Stil-Mix eines alten Pixel-Brawlers und eines JRPGs mit Rundenkampfsystem. Und sowieso apropos Stil: Dieser ist in seiner reduzierten Optik natürlich dem überschaubaren Budget geschuldet, fängt dieses aber immer wieder elegant durch Zitieren der Sprechblasen-Ästhetik klassischer Comics auf, bis hin zu den Erzähler-Kästchen am Bildrand, die vom Spiel dazu verwendet werden, einen Hinweis auf die möglichen Konsequenzen der aktuell wählbaren Entscheidungen zu geben.

Man weiß nicht genau, ob man diese blühende Fantasie der Entwickler feiern soll oder ihnen lediglich die Verzweiflung ansieht, das weitgehend unaufgeregte Geschehen gewaltsam interessant und unterhaltsam zu gestalten.

Ein Spiel der Summe seiner Gegensätze

Am Ende sind es in Dustborn nicht die einzelnen Bestandteile, die seine Qualität definieren. Es ist deren Summe, die daraus ein Ganzes werden lässt, das über sie hinausreicht. Wie ein Teller Nudeln, der für sich genommen ziemlich langweilig schmeckt. Und auch in die Zehe Knoblauch will eigentlich keiner so wirklich beißen. Aber im Zusammenspiel mit weiteren Komponenten, wird daraus irgendwann etwas ganz Exquisites.

Nun würde ich nicht so weit gehen, Dustborn als exquisit zu bezeichnen. Eher als interessant, und das ist immerhin auch schon was, aber der Redewendung nach eben auch der kleine Bruder von ihr wisst schon wem. Aber irgendwo in diesem Zwiespalt liegt vermutlich die wahre Essenz von Dustborn verborgen, genau auf den unsauberen Schnittstellen dieses bunt schillernden Kaleidoskops aus eigensinnigen Ideen und WTF-Momenten.

Man muss schon die Bereitschaft mitbringen, sich darauf einzulassen. Entweder man goutiert den irren Genremix oder wird davon abgeschreckt. Entweder man regt sich über manch Holprigkeit in den Kämpfen auf oder sieht darüber hinweg und begrüßt sie als Abwechslung. Entweder man entwickelt eine emotionale Bindung zu den Charakteren oder bleibt von ihnen unberührt. Entweder man liest die phantastische Hintergrundgeschichte als mystische Fantasy-Lore oder als esoterischen New-Age-Quatsch (ich tendiere eindeutig zu Letzterem). Gewissen Bubbles wird das Spiel ohnehin viel zu woke sein. Aber für die ist es eh nicht gemacht.

Gemacht ist es hingegen für alle, die sich genau für diese Art von Gegensätze und Widersprüche begeistern können, die das Ungewöhnliche dem Glattpolierten vorziehen und dafür bereit sind, Unzulänglichkeiten und Langatmigkeit auszublenden. Für besinnliche Momente zwischenmenschlicher Intimität wie schriller Verrücktheit gleichermaßen. Für Momente, in denen man eben noch gähnt und plötzlich wieder begeistert „WTF?!“ rufen will. Für eine Geschichte, die einfach mal macht, worauf sie Bock hat, ohne sich dafür zu schämen, auch wenn sie das manchmal sollte. Für ein Spiel, das sich nicht entscheiden will, was es sein möchte, sondern euch ein Angebot macht, das zu mögen, was ihr gut findet, und über allem anderen ruhig die Nase rümpfen dürft.

Dustborn handelt zwar von einer Rockband. In seinem Herzen ist es aber eigentlich ein wahrer Punk. Oder Emo. Und schon wieder: Selbst der Versuch, es irgendwie in Schubladen einzuordnen, ist nicht ohne Widersprüche möglich. Denn letztlich, wenn man all das zusammen betrachtet, mag es sicherlich nicht das beste Spiel des Jahres sein. Zumindest aber das wahrscheinlich ungewöhnlichste. Und das kann man auch einfach mal gut finden. Oder auch nicht. Ach, ich geb auf, sagt ihr’s mir.

Dustborn - Gameplay Overview Trailer

Ein weiterer neuer Trailer zu Dustborn verschafft euch einen allgemeine Überblick über das Gameplay im Spiel.

Greift zu, wenn...

… ihr euch für verwegene narrative Genre-Experimente begeistern könnt, in denen persönliche Dramen, Sci-Fi-Dystopien und Superhelden aufeinander prallen.

Spart es euch, wenn...

… ihr nicht bereit seid, langatmige Dialoge und ein holpriges Kampfsystem in Kauf zu nehmen.

Fazit

Matthias Grimm - Portraitvon Matthias Grimm
Dustborn ist ein furioser Gameplay- und Story-Mix, dem erzählerisch die Tiefe und spielerisch die Finesse fehlt

Über weite Strecken wirkt Dustborn wie die Variation eines typischen Don’t-Nod-Spiels über den Roadtrip einer Rockband aus Superhelden quer durch ein dystopisches Zerrbild der USA. Doch allein diese kurze Zusammenfassung der Story zeigt bereits: Dustborn ist vor allem ein furioser Mix über sämtliche Genre-Grenzen und -Konventionen hinweg, und das in jederlei Hinsicht.

Seine Geschichte erzählt ein wildes Patchwork zwischen Polit-Dystopie, mahnender Superhelden-Allegorie à la X-Men, Selbstfindungs-Drama nach Art von Life is Strange, esoterischem Fantasy-Märchen und dem Roadmovie einer Rockband. Und spielerisch kombiniert es die Gattung der interaktiven Erzählung mit Wellenkämpfen und Musikspielen. Da ist also so viel drin, sodass fast zwangsweise nicht alles dort hingehört. Aber gerade in der verwegenen Kombination entwickelt Dustborn eine eigenartige Faszination, für die man den Entwicklern einfach mal Respekt zollen muss. Auch wenn man nie so genau weiß, ob man ihren Ideenreichtum feiern soll oder ihrer Verzweiflung zuschaut, das Geschehen irgendwie abwechslungsreich und unterhaltsam zu gestalten.

>> 10 emotionale musikalische Momente in Spielen <<

Denn zum überwiegenden Anteil besteht Dustborn aus Gesprächen mit euren illustren Freunden und Weggefährten, in denen die unterschiedlichen Befindlichkeiten, Konflikte und Meinungsverschiedenheiten ausgiebig durchdiskutiert werden. Jedoch, was zwischenmenschliche Dynamik und Emotionalität vermitteln soll, kommt selten über das Niveau rührseliger Seifenopern hinaus, in denen Probleme mehr verbal breitgetreten als dramatisch verhandelt werden. Die über 20 Stunden des Spiels geraten dadurch bisweilen zur Geduldsprobe.

Auflockerung in Form der Kämpfe und Rhythmus-Passagen hat das Spiel daher bitter nötig, und tatsächlich entwickelt Dustborn durch sie einen eigenwilligen Reiz, der kaum zu leugnen ist. Dafür muss man aber schon gewillt sein, über manche Holprigkeit im Kampfsystem hinwegzusehen und Begeisterung für derlei verwegene Gameplay-Experimente aufbringen, die es nicht allen recht machen wollen, stattdessen ein bunt gemischtes Angebot auffahren, in dem jeder irgendetwas gut finden darf. Oder auch nicht.

Überblick

Pro

  • originelles Setting aus Sci-Fi-Dystopie, Superhelden-Drama und Roadmovie
  • interaktives Drama, in dem die Dialoge Konsequenzen bewirken
  • Auflockerung durch Kämpfe, Musikspiel-Szenen und Minigames
  • vielseitiger Genre-Mix
  • gute (englische) Vertonung
  • rockiger Soundtrack (wenngleich nicht sonderlich gut)

Contra

  • Dialoge eher seicht und langatmig statt berührend und fesselnd
  • holpriges Kampfsystem
  • mit über 20 Stunden Spielzeit zu lang

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