Test - Destiny 2: The Final Shape - Test : Eine Achterbahnfahrt der Gefühle
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2023 war kein gutes Jahr für Bungie. Destiny 2: Lightfall floppte grandios und kostete den Shared-World-Shooter viele Spieler. Dazu kamen einige dumme Entscheidungen, massive Umsatzeinbrüche und negatives Feedback von Presse und Spielern ... puh! Bungie wusste also, dass viel von der finalen Erweiterung der Saga von Licht und Dunkelheit abhing und entschied sich sogar für eine mehrmonatige Verschiebung. Hat sich das Warten gelohnt? Kann Destiny 2 zu alter Form zurückfinden?
Bis heute wissen wir nicht, was sich Bungie bei der letzten Erweiterung Destiny 2: Lightfall gedacht hat. Der Story-DLC aus dem vergangenen Jahr wirkte wie ein weitgehend sinnloser Lückenfüller mit wenig Bezug zur eigentlichen Saga. Fast beiläufig schilderte Bungie die Konfrontation zwischen dem Reisenden und dem Zeugen, durch die ersterer korrumpiert wurde, und ließ die Fans mit fragenden Gesichtern und großen Zweifeln an den Entwickler zurück, zumal auch die folgenden Monate nicht unbedingt von Bungies klügsten Ideen geprägt waren. Die Folge: eine handfeste Krise mit sinkenden Spielerzahlen und Umsatzeinbußen.
Nicht ungewöhnlich. Die gut zehnjährige Geschichte von Destiny samt Nachfolger war schon immer ein Wechselbad der Gefühle. Bombastische Spielmechaniken und zum Teil sehr originelles Gegner- und Leveldesign trafen immer wieder auf eine verworrene Story, die vor allem im ersten Teil kaum jemand nachvollziehen konnte (und wollte). Fehlende Storyinhalte wurden durch qualitativ sehr unterschiedliche DLCs kompensiert, dazu kamen Seasons zwischen Pest und Cholera und vieles mehr, was Bungie nie so richtig in den Griff bekam. Ebenso gab es aber auch Aspekte, wo die Entwickler einfach glänzen konnten.
Aber es war und ist ein einzigartiges Spieleuniversum, an das man sich erinnern wird: von Vex über Gefallene und Schar bis hin zu Zavala, Ikora Rey und Cayde-6. Nun ist es soweit und mit The Final Shape (oder zu Deutsch: Die finale Form) ist der Abschluss einer rund zehnjährigen Geschichte erreicht. Ein Moment, der sicherlich viele Destiny-Spieler zumindest für kurze Zeit zurückkehren lässt. Denn unsere kleine Truppe von Hütern und ihren Verbündeten macht sich auf den Weg in das Bleiche Herz des Reisenden, um der Verderbnis durch den Zeugen (mit dessen Aussehen ich mich wohl nie anfreunden werde) hoffentlich ein Ende zu bereiten.
Ein Unterfangen mit einigen Schlaglöchern, denn die Bereitschaft der Server, fehler- und absturzfrei zu arbeiten, war zumindest an den ersten beiden Tagen nicht gegeben. Zwar bekam Bungie die Probleme recht schnell in den Griff. Aber ein Ärgernis ist geblieben und dafür könnte ich Bungie einen Klaps geben: Warum verdammt noch mal ist es nicht möglich, im Spiel selbst eine verdammte Warnung über anstehende Wartungen und Server-Downs anzuzeigen? Durch die vermehrten Wartungsarbeiten sind wir schon einige Male ohne Vorwarnung aus dem Spiel geflogen und haben wertvolle Zeit (sowie natürlich Missionsfortschritte) verloren.
Jedenfalls umfasst unser Ausflug in die bizarren Welten im Inneren des Reisenden zunächst acht Missionen der Hauptkampagne, wobei die finale Mission erst nach dem ersten Abschluss des Raids freigeschaltet wurde. Die Missionen bieten eine bunte Mischung aus Erkundung, vielen (langatmigen) Dialogen, knackigen, leider allzu oft Arena-artigen Kämpfen und vielen Klischees. Das „Wir bringen die Band wieder zusammen“-Thema, bei dem wir Zavala, Ikora und andere bekannte Charaktere finden müssen, prägt vor allem die erste Hälfte der Kampagne.
Hinzu kommen viele mehr oder weniger emotionale Gespräche, die leider etwas zu oft auf das Niveau einer schlechten Netflix-Serie abrutschen. Dass Cayde und Krähe dabei zu den Valium-Brothers mutieren und ausgerechnet Ruhepol Zavala ziemlich ausrastet ... uff, schwierig, wenn auch im Gesamtkontext nicht ganz unverständlich. Immerhin hat Zavala schon etwas länger mit dem Reisenden zu kämpfen. Generell könnte vor allem die erste Hälfte der Kampagne mehr Zug zum Tor vertragen: Es wird enorm viel erklärt und geschwafelt, während die ersten Missionen nicht gerade vor Einfallsreichtum strotzen.
Allerdings haben die neuen Missionen von der Spielmechanik her ein wenig am Raid-Topf geschnuppert, auch wenn der grundsätzliche Ablauf dem gewohnten Destiny-Schema folgt. Mit Glyphen oder gesammelten Fragmenten verschiedene Passagen zu öffnen oder Bosse mit Items verwundbar zu machen – das bringt teilweise frischen Wind, ist aber auch etwas verwirrend, vor allem wenn man Destiny 2 noch nicht oder länger nicht gespielt hat. Denn was zu tun ist, wird so gut wie nie erklärt.
Nach einem lauten „Alter, was wollt ihr von mir?“ findet man eigentlich recht schnell heraus, was zu tun ist – nach all den Jahren hat man eine Ahnung, was die Entwickler von einem wollen. Bungie hat sich offensichtlich von Gelegenheitsspielern und potentiellen Neueinsteigern verabschiedet und The Final Shape ganz auf Veteranen und wiederkehrende Spieler zugeschnitten. Ungeübte Shooter-Spieler oder Destiny-Neulinge dürften an einigen Missionen völlig verzweifeln, vor allem wenn sie alleine unterwegs sind. Zu zweit oder zu dritt spielt sich alles viel angenehmer und stressfreier, erst recht, wenn mindestens einer der Mitspieler etwas erfahrener ist. Altgediente Veteranen werden sich hingegen darüber freuen, dass die Kampagne von Anfang an auf dem legendären Schwierigkeitsgrad gespielt werden kann.
Was die Missionsgebiete angeht, hat Bungie die Wiederholungstaste gedrückt und sich fleißig bei den Assets der vorherigen Erweiterungen und des Hauptspiels bedient. Im Grunde genommen durchstreift man verzerrte Varianten früherer Areale, was nur funktioniert, weil Bungie in Sachen Design und Inszenierung wieder einmal alles gegeben hat. Manche Szenarien sehen beeindruckend aus, allerdings hauptsächlich, wenn man sie im Shooter-Tempo überfliegt. Bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass die technische Basis doch etwas in die Jahre gekommen ist. Das betrifft vor allem den Detailgrad in den Gebieten und die Texturen. Dafür läuft Destiny 2: The Final Shape auf allen Plattformen wieder enorm flüssig.
Bei der Kampagne hat Bungie im Großen und Ganzen einen guten Job gemacht. Auch wenn das Pacing nicht immer passt, gehört The Final Shape zu den besseren Erweiterungen des Destiny-Universums. Die durchgehende Klasse von The Witch Queen fehlt allerdings über weite Strecken. Das liegt neben dem Umgebungsdesign sicherlich auch daran, dass Savathûn einfach eine coole Sau ist, während ich beim visuellen Design des Zeugen immer einen Lachkrampf unterdrücken muss. Sorry, ich kann ihn einfach nicht ernst nehmen, wenn er so gestaltet ist wie ein überkochender Topf voller Milch.
Abgesehen davon ist die Kampagne von The Final Shape ein Meisterwerk, wenn es darum geht, wenig Inhalt stark aufzublähen. Alles ist auf dem normalen Schwierigkeitsgrad durchaus in maximal vier Stunden durchzuspielen. Dabei stehen jedoch mehrfach spiralförmige Wege, langatmige Kletter- und Sprungpassagen und zähe Dialoge und Zwischensequenzen auf dem Plan. Wer Destiny 2 nur wegen der Kampagne spielt, muss für relativ wenig relativ viel bezahlen.
Immerhin geht es danach weiter, denn gegen Ende öffnet sich die Karte des Bleichen Herzens (das ist das neue Gebiet) und man hat die Möglichkeit, zahlreiche exotische Quests, Mini-Kampagnen, Open-World-Events und mehr zu spielen. Und das ganz anders als gewohnt. Das Bleiche Herz ist nämlich quasi eure eigene Open World, die ihr nicht mit anderen Spielern teilen müsst, es sei denn, ihr befindet euch in einer Gruppe. So könnt ihr euch in aller Ruhe den zahlreichen Aktivitäten widmen, die verfügbar sind.
So verwandelt sich das Areal in eine riesige Spielwiese für Solo- und Teamplayer mit unterschiedlichen Biomen und einer nie versiegenden Quelle an Aufgaben: von Pfadfinder-Beutezügen über mehrstufige Events bis hin zu knackigen Bosskämpfen und zahlreichen Nebenmissionen. Das ist wirklich mal was ganz anderes als im Hauptspiel und ich muss sagen: So eine Pale Heart-Instanz nur für mich und mein Team, das gefällt mir.
Interessant dürfte auf jeden Fall werden, wie es danach weitergeht. Bungie will sich nämlich vom klassischen Season-Modell verabschieden und uns stattdessen weitere Akte der Geschichte liefern, die im Abstand von etwa 40 Tagen vor allem die Auswirkungen der Ereignisse aus der Kampagne beleuchten sollen. Mit dem 1. Akt von Echoes ist das neue Modell nun gestartet und es sieht bisher so aus, als ob es eine ordentliche Anzahl an Quests enthält, die uns eine Weile bei Laune halten können. Wir werden es weiter beobachten.
Der vielleicht wichtigste Aspekt neben der neuen Kampagne ist der Fokus Prisma, den ihr im Spielverlauf erlernt. Neben Arkus, Solar, Leere, Stasis und Strang ist Prisma sozusagen die neue Kraft im Spiel. Das Besondere daran: Prisma verbindet Elemente aller bisherigen Energien zu einer Mischung aus Licht und Dunkelheit. So kann man in Fertigkeiten und Aspekten nach und nach Elemente verschiedener Kräfte mischen, zum Beispiel die Massenkontrolle von Stasis mit der Zerstörungskraft von Solar.
Der Nachteil: Prisma ist nichts Halbes und nichts Ganzes, sondern vor allem während der Kampagne ein aufgesetztes Konstrukt. Ein Problem ist, dass es relativ lange dauert, Aspekte und Elemente freizuschalten, um etwas kreativer mit Prisma umgehen zu können. Ein anderes ist, dass die neue Kraft in der Kampagne und in den neuen Inhalten quasi benutzt werden muss, da es in jeder Mission eine Reihe von Gegnern gibt, die nur mit Prisma besiegt werden können.
Die liebgewonnenen Builds für Solar-Titan, Leere-Warlock oder Arkus-Jäger werden dadurch gefühlt entwertet, da man sie kaum noch einsetzen kann. Noch schlimmer ist die Mechanik, dass die Prisma-Energie immer manuell aufgeladen und aktiviert werden muss. Dazu muss man entweder mit verschiedenen Elementen Schaden austeilen oder sich für einige Sekunden in leuchtende Fontänen stellen, was dem Spiel jeglichen Rhythmus nimmt und einen zudem angreifbar macht. Prisma als Kombination der bisherigen Elemente klingt an sich nicht blöd, wird aber durch die anfängliche Zwanghaftigkeit etwas getrübt.
Eines hat sich zumindest nicht geändert. Destiny 2: The Final Shape bietet nach wie vor piekfeines Shooter-Gunplay. Einfach jede Waffe ist in irgendeiner Form brauchbar und fühlt sich einfach richtig an, von der Pistole über Schwert und Glefe bis hin zu Raketenwerfer und Fusionswumme. Was auch immer Bungie nach Destiny 2 vorhat: Bitte behaltet dieses Gunplay bei. Geblieben ist leider auch die fragwürdige Sprung- und Schwebemechanik, die trotz einiger Anpassungen über die Jahre wenig verzeiht und oft recht genau ausgeführt werden muss, damit man nicht abrutscht oder durch die leichte Berührung einer Wand in den Abgrund befördert wird.
Schön hingegen ist das neue Pathfinder-System, das die lokalen Bounties ersetzt. Es besteht aus einer Art Baumgeflecht mit verschiedenen Aktivitäten, die erledigt werden können, um am Ende Belohnungen zu erhalten. Bisher gibt es den neuen Pathfinder für das Bleiche Herz und die Modi Vorhut, Schmelztiegel und Gambit. Auch die Freiheiten des Systems gefallen: Wenn ihr das Endziel erreicht habt, könnt ihr den Pathfinder jederzeit zurücksetzen, um neue Herausforderungen und Belohnungen zu erhalten. Das macht viel mehr Spaß und ist deutlich flexibler als nervige Beutezüge.
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