Preview - Concord : Nach der Beta: Steht es wirklich so schlimm um Sonys Hero-Shooter?
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Während der Ankündigungs-Trailer zu Concord mit seinem Humor in der Art von Guardians of the Galaxy noch recht gut aufgenommen wurde, schwang die Stimmung schnell um, als es dann erste Bilder aus dem Spiel zu sehen gab. Die Grafik sei zu schlecht, das Charakterdesign ginge gar nicht, das Gameplay kassierte massive Kritik und daran konnten auch die beiden vergangenen Beta-Wochenenden kaum etwas ändern. Aber was schmeckt den Kritikern denn eigentlich nicht an Sonys neuem Hero-Shooter und sind die Bedenken berechtigt?
Das knallbunte Helden-Arsenal aus Overwatch mit seinen unzähligen, individuellen Fähigkeiten, das Bewegungs-System von Destiny und ein Karten-Design und Arena-Shooter-Gameplay, welches an die Call-of-Duty-Reihe erinnert - so oder so ähnlich beschreiben die meisten ihre Erfahrungen mit Sonys Concord.
Aber obwohl die Mischung aus drei so hochwertigen und beliebten Games ja eigentlich eine Offenbarung für Shooter-Fans darstellen sollte, stieß die Beta mit gerade mal 2.400 Spielern in Spitze auf eher wenig Interesse. Auf der Suche nach einer Erklärung habe ich im Anschluss an die Beta mal die größten Kritikpunkte zusammengetragen und überprüft, ob an denen wirklich etwas dran ist.
Braucht es wirklich noch einen Hero-Shooter?
Der Markt für Arena- und Hero-Shooter ist gerade hart umkämpft. Für Platzhirsch Overwatch läuft es seit dem Reboot bzw. zweiten Teil besonders zäh und das kommende Marvel Rivals, sowie das bereits geleakte Deadlock von Valve werden die Situation sicherlich nicht weiter entspannen. Umso wichtiger also, dass es Concord schafft, sich von der Konkurrenz abzuheben.
Vor allem zwei Mechaniken setzen Concord von vergleichbaren Titeln ab. Da wäre zum einen das Crew-Buff-System, welches Spieler für häufigen Charakterwechsel belohnt. Spielt ihr zum Beispiel einen Anker (auch bekannt als Tank), sterbt und entscheidet euch im Anschluss für einen anderen Helden, so bekommt ihr für den Rest des Matches einen Bonus auf alle eingehenden Heilungen.
Beißt ihr danach mit einem Charakter der Taktiker-Klasse ins Gras, erhalten kommende Helden zusätzlich noch erhöhte Nachladegeschwindigkeit und so weiter. Auf die Art lassen sich bis zu sechs Buffs ansammeln, die zusammen einen ordentlichen Vorteil bringen können.
Die meisten Spieler ignorieren diese Mechanik aber im Moment komplett und bevorzugen einen festen Charakter statt andauernd zu wechseln. Vor allem in Modi wie Takedown (Gegner besiegen), Trophy Hunt (Gegner besiegen und ihre Abzeichen einsammeln) und Area Control (Gegner besiegt, während man versucht, Zonen einzunehmen), in denen ihr andauernd respawnen könnt, fallen die Stärkungen nämlich kaum ins Gewicht.
Eine weitere Besonderheit ist die Regeneration der aktiven Fähigkeiten. Die laden sich nämlich nicht einfach so mit der Zeit wieder auf, sondern nur, wenn ihr einen Gegner besiegt. Auf dem Papier sorgt das für eine aggressivere Spielweise, denn wer seine Skills nutzen will, der muss eben jemandem das Licht ausknipsen. In Realität steht man aber (gerade als Anfänger) auch öfters mal ohne nutzbare Fähigkeiten da und ist damit leichte Beute für andere Spieler.
Bisher geht die Rechnung der Entwickler für zusätzliche taktische Raffinesse also noch nicht auf. Hinzu kommen die teilweise zu großen und unübersichtlichen Maps für Kämpfe 5 vs. 5 und das leidige Hero-Shooter-Dauerthema des fehlenden Balancings. Gerade bei Letzterem kann ja aber bis zum Release noch einiges nachgebessert werden.
Diese Saison trägt man wieder mehr Müll
Charakterdesign ist natürlich immer auch Geschmackssache, bei Concord scheint sich ein großer Teil der Community allerdings einig zu sein, dass sein Geschmack nicht getroffen wurde. Das Aussehen der Freegunner orientiert sich am leicht trashigen Stil von Science-Fiction-Filmen aus den 70ern und frühen 80ern. Vor allem der laufende, gelbe Mülleimer mit Industrie-Staubsauger-Modul 1-ZIG versprüht als eine Art Publikumsliebling noch gediegene Flash-Gordon-Vibes. Bei seinem klobigen Aussehen erwartet man fast schon, dass er jeden Moment den Helm abnimmt und unter den dicken, gelben Metallplatten ein unterbezahlter Schauspieler zum Vorschein kommt, der vollkommen durchgeschwitzt ist und dauernd alberne Piep-Geräusche von sich geben muss.
Die menschlichen Freegunner und (ausschließlich humanoiden) Aliens kommen da weniger gut weg und muten größtenteils nicht wie ernstzunehmende Helden an, sondern eher wie Cosplayer, die leidlich erfolgreich ins schrille Setting zu passen versuchen. DaVeers merkwürdiger Imker-Raumhelm oder Jabalis Mantel wirken so, als hätte man sie direkt vom Sperrmüll gerettet und im Fall von Jabali Omas abwaschbarer Tischdecke ein zweites Leben geschenkt. Vor allem aber Tank Emari stößt den Kritikern sauer auf. Die Mischung aus pastell-türkisen Space-Marine-Outfit mit reflektierenden lila Highlights und einer Vorliebe für Lippenstift in knalligem blau scheint dann doch zu viel Farbe zu sein für modebewusste Spieler.
Mancher Freegunner orientiert sich außerdem ein bisschen zu einfallslos an einschlägig bekannten Vorbildern. Haudrauf Star Child ist mindestens mal eine Hommage an Drax, und Gunslinger Lennox sieht aus wie der bei der Geburt getrennte Zwillingsbruder von Marvels blauem Mary-Poppins-Double Yondu.
Aufgefüllt wird die Riege an Kämpfern dann noch mit super-generischen Charakteren wie Teo, dem 08/15-Soldat mit Gewehr und Granaten statt Persönlichkeit, der noch dazu so aussieht, als würde er sich Frisuren-Tipps beim männlichen Fortnite-Standard-Skin abholen. Allesamt sind sie jedenfalls weit entfernt von den zwar klobigen und übertrieben grellen, aber eben auch einprägsamen und charmanten Helden aus Overwatch.
Pronomen-Proleten: Habt ihr sonst keine Probleme?
Interessanterweise dreht sich die Kritik der lautesten (nicht größten) Gruppe in den Kommentarspalten allerdings gar nicht um Grafik, Design oder Gameplay, sondern um etwas viel Banaleres. Wie Kollege Dennis bereits vor längerer Zeit in seiner Preview festgestellt hat, legen die Entwickler von Firewalk Studios großen Wert auf das World Building und deren Hintergrundgeschichte. Die derartig angepriesene Sternenkarte mit Infos zu Charakteren, Fraktionen, Planeten und so weiter hat es leider nicht mehr in die Beta geschafft, wohl aber ein anderer Teil der Persönlichkeitsmerkmale der Freegunner.
Bei der Helden-Auswahl wird nämlich angezeigt, mit welchem Geschlecht sich der Charakter identifiziert bzw. welche Pronomen er präferiert. Das ist natürlich ein willkommenes Fressen für Trolle und Hater, und die öffnen mit Freude die Schleusentore für beleidigende und toxische Kommentare. Da werden Entwickler als „woke Satanisten“ (hab ich mir nicht ausgedacht!) beschimpft, dem Spiel linke, marxistische Propaganda vorgeworfen und sich über diverse Minderheiten lustig gemacht.
Tatsächlich drehen sich fast die Hälfte aller Threads auf Steam nicht um Themen wie das Gameplay oder die fragwürdige Monetarisierung (dazu gleich) des Spiels, sondern ausschließlich um eben jene an sich völlig unbedeutenden Pronomen. Und bedauerlicherweise kommen die wenigsten Diskussionen dabei ohne Beleidigungen aus.
Der unwiderstehliche Ruf des Geldes
Einen Blick in den Online-Shop von Concord durften wir bisher leider noch nicht werfen, allerdings sorgt seine bloße Existenz schon für jede Menge Unmut. Im Gegensatz zu Overwatch mit seinem Echtgeld-Shop für Skins und kosmetische Anpassungen handelt es sich bei Concord eben nicht um einen Free-to-play-Titel, sondern kostet im Vorfeld schonmal 40 Euro, um überhaupt gespielt werden zu dürfen.
Da lassen sich Mikro-Transaktionen zum einen natürlich noch schlechter rechtfertigen und zum anderen stellt sich die Frage, warum man überhaupt zu Sonys neuem Titel greifen sollte, wenn es doch ohnehin schon so viel hochwertige F2P-Alternativen gibt.
Viele unken gar bereits jetzt, es dürfte nicht lange dauern, bis sich Concord von den 40 Euro verabschiedet und auf ein Free-to-Play Modell umstellt, um die Spielerzahlen zu retten. Beispiele für ähnliche Fälle gab es in der Vergangenheit genug. Hoffen wir mal, dass Sony trotz aller Probleme dieser Schritt vorerst erspart bleibt.
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