Test - A Way Out : Eine besondere Koop-Erfahrung
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Josef Fares polarisiert gerne. Das ist spätestens seit seiner leidenschaftlichen „Fuck the Oscars“-Rede während der letzten Game-Awards-Show bekannt. So extrovertiert der Drehbuchautor und Regisseur auch sein mag, mit A Way Out liefern er und sein Studio Hazelight eine mehr als unterhaltsame Koop-Erfahrung ab, die vor Ideenreichtum nur so strotzt.
A Way Out ist die Geschichte von Vincent und Leo, zwei raubeinigen Typen, die sich im Gefängnis kennenlernen und einen Plan schmieden, den Freiheitsentzug deutlich zu verkürzen. Doch bietet das nach Brothers: A Tale of Two Sons zweite Werk von Josef Fares viel mehr als lediglich einen spielbaren Prison-Break-Abklatsch. Es geht um Vertrauen, Freundschaft, Rache und Verrat. Beide Protagonisten wurden nämlich vom gleichen Gangsterboss aufs Kreuz gelegt. Natürlich soll der dafür büßen.
Euch erwartet eine emotionale Achterbahnfahrt, die ihr ausschließlich zu zweit erfahren könnt. Entweder via Couch-Koop mit einer weiteren Person an der gleichen Konsole – oder via Internet. Wenn ihr euch entschließt, online mit einem Freund zu spielen, braucht nur einer von euch das Spiel. Via Code dürft ihr den Mitspieler in eure Session einladen, ohne dass er den Titel überhaupt kaufen muss. Ein feiner Zug.
Das geteilte Bild als Stilmittel
Die Erfahrungen, die das Entwicklerteam mit Brothers: A Tale of Two Sons gesammelt hat, sind an jeder Ecke spürbar. Zwar entpuppt sich die Spielerfahrung als deutlich konventionelleres Action-Adventure als das Erstlingswerk des Studios, doch die Interaktionsmöglichkeiten sowie das Storytelling sind unübersehbar von diesem beeinflusst.
Egal, wie ihr das Spiel erlebt, also online oder lokal, der Bildschirm ist immer geteilt. Ihr seht also zu jeder Zeit, was sowohl Leo als auch Vincent treiben. Je nach Fokus verschiebt sich die Trennlinie der Bildschirme, um in wichtigen Situationen dem entsprechenden Charakter mehr Aufmerksamkeit zu erteilen. So habt ihr immer genug Übersicht. Manchmal gesellt sich ein dritter Bildausschnitt hinzu, dann werden schon beinahe Dimensionen erreicht, die an die TV-Serie 24 erinnern. Das wirkt nie störend oder aufgesetzt, sondern erweitert gekonnt die dichte Atmosphäre.
Auf der Flucht
Während ihr im ersten Viertel von A Way Out damit beschäftigt seid, aus dem Gefängnis auszubrechen, geht das Abenteuer mit der gewonnenen Freiheit danach erst so richtig los. Der Titel bleibt zwar weiterhin linear aufgebaut und ihr bekommt immer ein klares Ziel vor Augen geführt, doch wie ihr die Sache angeht, bleibt oftmals euch überlassen. Sprecht ihr mit Charakteren, bekommt ihr mehrere Dialogoptionen und erhaltet so unterschiedliche Informationen. Hin und wieder müsst ihr euch auch abstimmen, wie ihr vorgeht.
Der Reiz des scheinbar Sinnlosen
Kurz nach dem Ausbruch kommt ihr zum Beispiel an einer Farm vorbei. Das dort wohnende ältere Ehepaar erfährt aus dem Radio, dass zwei Sträflinge auf der Flucht sind. Vincent und Leo haben beide unterschiedliche Pläne. Während Leo das Paar überrumpeln und fesseln möchte, schlägt Vincent vor, die Pferde aus dem Stall ausbüxen zu lassen, um so für Ablenkung zu sorgen. In solchen Momenten müssen sich beide Spieler für einen Plan entscheiden. Die Situationen verlaufen dadurch spürbar anders, auch wenn am Ende das Gleiche dabei herauskommt.
Der Abschnitt auf der Farm ist gleichzeitig ein Paradebeispiel dafür, was A Way Out ausmacht. Natürlich könntet ihr schnurstracks die eigentliche Aufgabe erfüllen, andererseits bietet euch das Spiel die Möglichkeit, in aller Seelenruhe zunächst das Haus zu erkunden und mit verschiedenen Objekten zu interagieren. Manche initiieren witzige Minispiele samt Highscore, andere scheinen komplett sinnlos zu sein. Aber egal was ihr in diesen Situationen macht, es stärkt die Bindung zu den spielbaren Charakteren, da sie dadurch menschlicher wirken. Es macht ungemein Spaß, jeden Winkel zu erkunden, um zu schauen, wie Vincent und Leo damit interagieren und was für Sprüche die beiden klopfen.
Abwechslungsreiches Abenteuer
Neben den angenehm ruhigen Momenten, die das Team nutzt, um Charaktere zu prägen oder die Story voranzutreiben, bietet A Way Out aber auch eine spielerisch bunte Mischung. Umgebungsrätsel wollen gelöst und Stealth-Passagen gemeistert werden. Gleichzeitig müsst ihr einige Verfolgungsjagden überstehen, mal zu Fuß, mal in Fahrzeugen. Ohne viel vorwegzunehmen, ändert sich die Spielmechanik im finalen Akt fundamental – und stellt einiges auf den Kopf. Der große Pluspunkt: Keine Szene überbeansprucht eure Zeit. In hoher Frequenz werdet ihr von einer Situation in die nächste geworfen, in denen das Spiel neue Vorgehensweisen von euch verlangt.
So einfallsreich A Way Out ist, die Steuerung fällt bisweilen etwas fummelig und unpräzise aus. Gerade, wenn ihr Objekte durch die Gegend schleppt, lässt sich etwas Feinfühligkeit vermissen. Das ist bei weitem kein Beinbruch, macht aber die übersichtliche Größe des Entwicklerstudios bemerkbar. Auch grafisch ist A Way Out ein Wechselbad der Gefühle. Zwar erfreuen schön gestaltete Umgebungen bisweilen das Auge, aber was die Texturenqualität betrifft, kann die Unreal Engine deutlich mehr.
Das wird ebenfalls bei der Qualität der Animationen deutlich. Während in den Zwischensequenzen die Gestik und Mimik passen, bewegen sich die Charaktere während des Spielens in vereinzelten Momenten hölzern. Gerade in Gesprächen wird das deutlich. In Anbetracht der unterhaltsamen Koop-Erfahrung trüben diese Kritikpunkte den Spielspaß nur minimal.
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